Wintercheck HSV
Analyse & Prognose zur Rückrunde
Wie in den fünf Jahren zuvor ging der Hamburger SV auch in die Spielzeit 2023/24 mit dem klaren Ziel, endlich die Rückkehr in die Bundesliga zu schaffen, die nach dem Abstieg 2018 zunächst mit drei vierten Plätzen und dann zwei Relegationsniederlagen jeweils knapp verpasst worden war. Platz drei zur Winterpause bedeutet nun keine enttäuschende Zwischenbilanz, doch schon alleine weil mit Holstein Kiel und just dem FC St. Pauli zwei Konkurrenten besser punkten konnten, wird der Aufstieg abermals kein Selbstläufer
Die Hinrunde in der Zusammenfassung
Mit 13 Punkten aus den ersten fünf Spielen hat der Hamburger SV einen starken Start hingelegt, dann aber wie so oft in den vergangenen Jahren eine vermeintliche Pflichtaufgabe in den Sand gesetzt. Ein 0:1 bei der SV Elversberg bedeutete die erste Saisonniederlage, der sich direkt ein 1:2 beim VfL Osnabrück anschloss. Anschließend ging es mit vier Heimsiegen und vier sieglosen Partien in der Fremde (drei Unentschieden, eine Niederlage) wechselhaft weiter, ehe sich das Muster in den beiden letzten Hinrundenspielen umkehrte. Zunächst ließ der HSV erstmals im eigenen Stadion Federn und verlor gegen den SC Paderborn (1:2) sogar, feierte dafür aber beim 1. FC Nürnberg (2:0) endlich wieder einen Auswärtsdreier.
Im Anschluss an die Hinrunde kamen die Verantwortlichen um Sportvorstand Jonas Boldt, Direktor Profifußball Claus Costa und Trainer Tim Walter zu einer großen Analyse zusammen, bei der auch das bittere Achtelfinal-Aus im DFB-Pokal nach Elfmeterschießen bei Hertha BSC ein Thema gewesen sein dürfte. Der zuvor auf der Kippe scheinende Walter erhielt abermals das Vertrauen ausgesprochen, allerdings auch Vorgaben mit auf den Weg, die es in der zweiten Saisonhälfte umzusetzen gilt. Unabhängig davon würde die Trainerdiskussion vermutlich schnell wieder aufflammen, sollte der Start in die Rückserie verpatzt werden.
Stärken & Schwächen
Ohne den Ausrutscher gegen den SC Paderborn wäre die Bilanz des HSV im Volksparkstadion makellos. Doch auch 21 Punkte aus acht Partien vor eigenem Publikum machen die Hanseaten zu einer Heimmacht, wohingegen in neun Auswärtsspielen bei vier Remis und drei Niederlagen nur magere zwei Siege eingefahren werden konnten.
Eine bessere Bilanz verhinderten nicht zuletzt wiederkehrende individuelle Fehler im Defensivbereich, die zumindest die Vermutung nahelegen, dass die Hintermannschaft ohne den lange ausgefallenen und aktuell wieder verletzten Kapitän Sebastian Schonlau sowie den weiter gesperrten Mario Vuskovic ein Qualitätsproblem hat. Neben Schonlau fehlte mit Ludovit Reis ein weiterer Schlüsselspieler über einen längeren Zeitraum und hinterließ eine Lücke, weil Neuzugang Immanuel Pherai sein Potential zwar aufblitzen ließ aber nicht regelmäßig abrufen konnte.
Generell ist mangelnde Konstanz ein Problem. Auch Jean-Luc Dompé, Bakery Jatta und trotz beeindruckender Scorer-Werte László Bénes (acht Tore, sechs Vorlagen) sind kein Muster an Beständigkeit. Verlass ist dafür meist auf Torjäger Robert Glatzel, der bei zwölf Toren steht. Glatzel ist dabei sicherlich einer von mehreren Spielern, die grundsätzlich die Qualität für die Bundesliga mitbringen. Auch Daniel Heuer Fernandes, Ignace van der Brempt, Jonas Meffert, Reis und Benes haben das Zeug zu Unterschiedsspielern, müssen allerdings in der zweiten Halbserie gerade auf gegnerischem Platz gemeinsam besser funktionieren als im Herbst.
Gewinner & Verlierer
Obwohl in einigen Partien das aus der Vergangenheit bekannte Phlegma durchkam, war László Bénes im abgelaufenen Halbjahr neben Torjäger Glatzel der auffälligste Akteur des HSV. Acht Tore und sechs Vorlagen verbuchte der slowakische Nationalspieler, der die Farben seines Landes aller Voraussicht nach auch bei der EM 2024 in Deutschland vertreten wird. Nicht nur mit Standardsituationen, sondern auch aus dem Spiel heraus kreierte Bénes in der Hinserie zahlreiche gefährliche Momente und könnte im neuen Jahr mit Rückkehrer Reis an seiner Seite noch stärker werden.
An die Rückkehr von Levin Öztunali knüpfte man in Hamburg im Sommer einige Hoffnungen. Der einstige HSV-Jugendspieler und Enkel von Uwe Seeler brachte nach zehn Jahren in der Fremde die Erfahrung aus 190 Bundesliga-Spielen mit, war bislang aber nur ein Nebendarsteller. Zwar bringt es Öztunali auf zwölf Einsätze, stand aber nur sechs Mal in der Startelf und hinterließ bisher den Eindruck, seinen Platz nicht wirklich gefunden zu haben. Meist als Linksaußen eingesetzt steht bislang keine Torbeteiligung zu Buche, womit reichlich Luft nach oben vorhanden ist.
Winter-Transfers: Wer kommt, wer geht?
Mit Valon Zumberi hat der HSV bislang nur einen mehr oder weniger chancenlosen Akteur aus der zweiten Reihe abgegeben, der auf Leihbasis beim FC Schaffhausen in der zweiten Schweizer Liga Spielpraxis sammeln soll. Der zum Jahreswechsel von einer Leihe zu Halmstads BK zurückkehrte Torhüter Marko Johansson soll sich ebenfalls noch verabschieden. Und auch bei Elijah Krahn steht zur Weiterentwicklung eine Leihe im Raum.
Neu hinzugeholt haben die Hanseaten bislang mit dem vom FC Augsburg ausgeliehenen Masaya Okugawa eine variabel einsetzbare Offensivkraft, die vor allem auf den Flügelpositionen den Konkurrenzkampf anheizen soll. Bei Noah Katterbach (1. FC Köln) ist unterdessen nur noch fraglich, ob der schon in der Rückrunde der vergangenen Saison ausgeliehene Linksverteidiger sofort oder ablösefrei im Sommer kommt.
Zudem läuft die Suche nach Neuzugängen für die Innenverteidigung und das zentrale Mittelfeld, bei denen es sich nicht um Ergänzungen, sondern um richtige Verstärkungen handeln soll.
Vorbereitungsfazit & Prognose
Sowohl von der PSV Eindhoven als auch vom FC Zürich trennte sich der HSV in den Wintertestspielen mit 2:2. Die Eindrücke inklusive einer etwas angepassten, auf weniger Risiko bedachten Herangehensweise waren insgesamt positiv, aber dennoch mangelte es stellenweise wieder an Stabilität. Das allerdings war ein Stück weit auch auf eine verletzungsbedingt nicht optimale Personalsituation zurückzuführen, die sich auf absehbare Zeit mit den noch gesuchten Verstärkungen und den Rückkehrern aus dem Lazarett verbessern sollte.
Sofern das Verletzungspech im Frühjahr nicht wieder heftig zuschlägt, besitzt der HSV dann die besten Möglichkeiten aller Klubs, um ganz vorne zu landen. Deshalb und weil Trainer Walter offenkundig inzwischen zu Kompromissen in der Spielanlage bereit ist, wird der HSV im Mai endlich in die Bundesliga zurückkehren – ohne Umweg über die Relegation.