Wintercheck FC St. Pauli
Analyse & Prognose zur Rückrunde
Die sehr starke Rückrunde 2022/23 mit zehn Siegen in Folge nach dem Trainerwechsel von Timo Schultz zu Fabian Hürzeler hatte rund um den FC St. Pauli bereits im Sommer für eine gewisse Erwartungshaltung gesorgt, die die Kiezkicker in der Hinserie auch erfüllen konnten. St. Pauli blieb ungeschlagen, leistete sich allerdings bei acht Siegen auch neun Unentschieden und verlor so kurz vor Weihnachten noch die Herbstmeisterschaft an Holstein Kiel.
Nichtsdestotrotz sind die Braun-Weißen für viele Experten das Maß aller Dinge in Liga zwei und mittlerweile der Top-Favorit auf den Bundesliga-Aufstieg.
Die Hinrunde in der Zusammenfassung
Weil einem 2:1-Auftaktsieg beim 1. FC Kaiserslautern gleich vier Unentschieden am Stück folgten, fiel das erste Zwischenfazit beim FC St. Pauli nur bedingt zufriedenstellend aus. Im Gegensatz zu den ersten Wochen der Saison entwickelten die Kiezkicker dann aber die nötige Effizienz und feierten gegen Holstein Kiel (5:1), gegen den FC Schalke 04 (3:1), bei Hertha BSC (2:1) und gegen den 1. FC Nürnberg (5:1) vier beeindruckende Siege in Folge.
Einem 2:2 beim SC Paderborn folgten dann nicht nur zwei Liga-Dreier, sondern mit einem 2:1 nach Verlängerung wiederum gegen Schalke auch der Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals. In der Folge allerdings ging die Hinrunde so zu Ende, wie sie begonnen hatte – mit vier Unentschieden in fünf Spielen bei nur noch einem Sieg, zu dem indes auch noch ein 4:1-Erfolg im Pokal beim FC 08 Homburg kam. Besonders ärgerlich, dass bei den letzten drei Remis in Serie gegen den Hamburger SV (2:2), beim VfL Osnabrück (1:1) und gegen den SV Wehen Wiesbaden (1:1) jeweils mehr oder weniger leichtfertig Führungen verspielt wurden.
Stärken & Schwächen
Dass der FC St. Pauli die gesamte Hinrunde ohne Niederlage überstanden hat, ist kein Zufall, sondern die Folge einer enormen Stabilität, die sich anhand der mit Abstand wenigsten Gegentreffer (15) aller Klubs ablesen lässt und die in engem Zusammenhang mit einem starken Grundgerüst steht. Vor Nikola Vasilj im Tor verteidigt eine erfahrene Dreierreihe mit Hauke Wahl, Karol Mets und Eric Smith, aus der letzterer als Spielgestalter auch in offensiver Rolle herausragt. Herzstück der Mannschaft ist aber fraglos das zentrale Mittelfeld mit Jackson Irvine und Marcel Hartel, die zusammen auf 20 Scorer-Punkte kommen und für die passende Balance zwischen Defensive und Offensive sorgen.
Als ligaweit laufstärkster Spieler hat Hartel auch seinen Anteil daran, dass St. Pauli generell die meisten Kilometer zurückgelegt hat. Platz zwei in den Statistiken der DFL bei den intensiven Läufen unterstreichen ein hervorragendes Fitnesslevel, das freilich nur die Basis darstellt. Die beste Passquote (87,4%) und der zweitmeiste Ballbesitz (56%) sind indes noch kennzeichnender für die Kiezkicker, die den meisten Gegnern spielerisch deutlich überlegen waren.
Allerdings gelang es längst nicht immer, diese Überlegenheit in das gewünschte Ergebnis umzumünzen. So blieben bei den insgesamt neun Unentschieden definitiv zu viele Punkte unnötig auf der Strecke. Exemplarisch dafür steht das 1:1 gegen Wehen Wiesbaden zum Hinrundenabschluss, als 26:5-Torschüsse nicht für einen Dreier reichten. In Sachen Effizienz muss St. Pauli trotz immerhin 31 erzielter Tore zulegen und in diesem Zusammenhang auch hoffen, dass die an guten Tagen nicht zu stoppenden Oladapo Afolayan und Elias Saad etwas mehr Konstanz entwickeln.
Gewinner & Verlierer
Einige Akteure können auf eine sehr gelungene Hinserie zurückblicken. Nicht wirklich zu erwarten war das indes im Falle von Johannes Eggestein, der im Sommer als Wechselkandidat galt und an den ersten fünf Spieltagen über eine Einwechslung nicht hinausgekommen ist. Eggestein entpuppte sich dann aber ab September als spielerisch starke Ideallösung auf der Mittelstürmer-Position, verzeichnete in insgesamt 16 Einsätzen acht Tore sowie drei Vorlagen und dürfte trotz interner Konkurrenz seinen Platz zum Rückrundenstart sicher haben.
Zu den Konkurrenten von Eggestein gehört neben dem erst spät verpflichteten und dann auch verletzungsbedingt nicht richtig in Fahrt gekommenen Simon Zoller auch Andreas Albers. Der vom SSV Jahn Regensburg ans Millerntor gewechselte Däne allerdings konnte die Erwartungen nicht ansatzweise erfüllen, wurde von Eggestein verdrängt und nach dem neunten Spieltag nicht mehr eingesetzt. Ein Abschied des 33-Jährigen noch im Winter scheint nicht ausgeschlossen.
Winter-Transfers: Wer kommt, wer geht?
Weil Kapitän Irvine und Connor Metcalfe wegen der Teilnahme am Asien-Cup mit der australischen Nationalmannschaft womöglich bis Mitte Februar fehlen werden, hat der FC St. Pauli reagiert und für das zentrale Mittelfeld Aljoscha Kemlein vom 1. FC Union Berlin ausgeliehen. Der U20-Nationalspieler dürfte zum Start der Rückrunde zusammen mit Hartel das Zentrum bilden und muss die denkbar schwere Aufgabe meistern, Irvines Abwesenheit zu kompensieren.
Weitere Bewegung im Kader gab es bisher nicht. Nicht ausgeschlossen aber ist, dass sich St. Pauli bis Transferschluss Ende Januar mit einem weiteren Neuzugang noch etwas breiter aufstellt. Im Gegenzug sind Abgänge von Akteuren aus der zweiten Reihe wie Angreifer Albers ebenfalls denkbar.
Vorbereitungsfazit & Prognose
Nur ein einziges Testspiel hat der FC St. Pauli während der Rückrundenvorbereitung bestritten und dabei nicht den besten Eindruck hinterlassen. Ein 1:3-Niederlage gegen den VfL Osnabrück offenbarte nicht zum ersten Mal Probleme in der Konsequenz vor beiden Toren, war aber möglicherweise auch ein Warnschuss zum richtigen Zeitpunkt.
Man darf nun gespannt sein, ob es die Kiezkicker endlich einmal schaffen, zwei zumindest ähnlich gute Halbserien zu spielen. Die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür sind vorhanden, auch wenn das Fehlen gerade von Irvine zunächst schon ein Handicap darstellt. Entscheidend wird sein, ob die Hürzeler-Elf in puncto Effizienz zulegen kann. Gelingt das, steht am Saisonende mindestens der zweite Platz zu Buche.