Wintercheck Eintracht Braunschweig
Analyse & Prognose zur Rückrunde
Die Ausgangsposition für Eintracht Braunschweig könnte vor der zweiten Hälfte der Saison wahrlich besser sein – allerdings auch bedeutend schlechter, wenn nicht mit zwei Siegen ein optimaler Hinrundenendspurt gelungen wäre. So hat der BSTV, der zuvor aus 15 Partien lediglich acht magere Pünktchen eingefahren hatte, das rettende Ufer bei vier Zählern Rückstand im Blick und den Relegationsplatz mit drei Punkten sogar in Schlagdistanz.
Trainer Daniel Scherning, der nach der Entlassung von Jens Härtel aus seinen ersten fünf Partien insgesamt neun Zähler holte, soll und muss mit seinen Schützlingen nun direkt an die Wochen vor Weihnachten anknüpfen.
Die Hinrunde in der Zusammenfassung
Als nach zuvor zwei Auftaktniederlagen am dritten Spieltag der FC Schalke 04 (1:0), der eine Woche zuvor noch Endstation in der ersten Runde des DFB-Pokals war, besiegt werden konnte, schien Eintracht Braunschweig mit dem im Sommer verpflichteten Trainer Jens Härtel in der Saison angekommen. Doch anstatt nachzulegen holte die Eintracht aus den folgenden vier Partien nur zwei Punkte, um anschließend sogar fünf Mal in Folge zu verlieren.
Nachdem Härtel bereits im Anschluss an ein 0:3 am zehnten Spieltag bei der SV Elversberg gehen musste, blieb unter Interimscoach Marc Pfitzner gegen Fortuna Düsseldorf (1:4) und bei Hannover 96 (0:2) die erhoffte Trendwende aus. Der neue Chefcoach Daniel Scherning führte sich dann zwar gleich mit einem Last-Minute-Sieg im enorm wichtigen Kellerduell gegen den VfL Osnabrück (3:2) ein, musste dann aber beim Hamburger SV (1:2) und gegen die SpVgg Greuther Fürth (0:1) trotz ordentlicher Leistungen auch zwei Niederlagen mitansehen.
Beim SV Wehen Wiesbaden (3:1) und gegen den 1. FC Kaiserslautern (2:1) gelangen Braunschweig vor der Winterpause aber noch zwei Siege, die wesentlichen Anteil daran haben, dass vor dem Rückrundenstart die Grundstimmung an der Hamburger Straße von zumindest vorsichtiger Zuversicht geprägt ist.
Stärken & Schwächen
Ohne die beiden letzten Spieltage wäre die Suche nach Stärken von Eintracht Braunschweig schnell erledigt gewesen und hätte sich wohl weitgehend auf einen trotz der bereits 31 Gegentore zuverlässigen Ron-Thorben Hoffmann im Tor begrenzt. Die Siege in Wiesbaden (3:1) und gegen Kaiserslautern (2:1) lassen aber darauf hoffen, dass mit dem lange verkannten Sommerzugang Rayan Philippe und Fabio Kaufmann sowie dem ebenfalls verbesserten Johan Gomez regelmäßig Torgefahr auf den Platz gebracht werden kann – die zuvor angesichts von elf Toren in 15 Spielen vermisst wurde. Und mit Anthony Ujah, der seit Ende September mit einer Schulterverletzung ausgefallen ist, soll auf absehbare Zeit auch der beste Mittelstürmer im Kader wieder eingreifen.
Zu einem Plus werden könnte in der zweiten Halbserie die Fitness der Mannschaft, die sich beim Blick auf die DFL-Statistiken an Platz fünf bei der Anzahl der intensiven Läufe und sogar Rang drei bei den Sprints erkennen lässt. Die Scherning-Elf bringt somit die körperlichen Voraussetzungen mit, um dem Gegner mit einer hohen Intensität Probleme zu bereiten.
Ein großes Manko war unterdessen der fehlende Führungsspieler im zentralen Mittelfeld. Kapitän Jannis Nikolaou konnte diese Rolle nicht wie erhofft ausfüllen, ebenso wenig der teilweise auch in der Abwehrreihe aufgebotene Sebastian Griesbeck. Ob Robin Krauße und Winterzugang Niklas Tauer im Zentrum dazu in der Lage sind, das Spiel auf ein höheres Level zu hieven, bleibt abzuwarten. Dringend nötig wäre es, zeigen die ligaweit zweitschwächsten Werte bei Passquote (78%) und Ballbesitz (44%) doch die vorhandenen, spielerischen Defizite schonungslos auf.
Außer Frage steht auch, dass die Eintracht mit 31 deutlich zu viele Gegentore kassiert hat. Mit dem Ende Oktober aus der Arbeitslosigkeit geholten Routinier Ermin Bicakcic hat aber mehr Stabilität Einzug gehalten, an die es anzuknüpfen gilt.
Gewinner & Verlierer
Als Nachfolger von Jasmin Fejzic (Karriereende) wurde Jannis Nikolaou im Sommer von Trainer Härtel zum neuen Braunschweiger Kapitän ernannt. Eine durchaus logische Wahl, absolvierte der Defensiv-Allrounder in seinen ersten drei Spielzeiten bei der Eintracht doch stets mindestens 30 Partien. Auch in dieser Spielzeit stehen 13 Einsätze zu Buche, doch Nikolaou blieb vieles schuldig, war praktisch nie der mit Leistung vorangehende Stabilisator im Mittelfeldzentrum und wurde in dieser Rolle im Hinrundenendspurt mehr oder weniger von Krauße abgelöst.
Abgesehen von Torwart Hoffmann fehlte im Braunschweiger Spiel lange eine Konstante – bis Ende Oktober der zuvor monatelang vereinslose Ermin Bicakcic zurückgeholt wurde. Die seine Verpflichtung begleitenden Zweifel zerstreute der 33-Jährige rasch, ging direkt mit Leistung voran und erzielte im Kellerduell gegen Osnabrück in der achten Minute der Nachspielzeit den 3:2-Siegtreffer. Vor dem Start in die Rückrunde ist Bicakcic nun einer der ganz großen Hoffnungsträger für ein erfolgreiches Meistern der Mission Klassenerhalt.
Winter-Transfers: Wer kommt, wer geht?
Eintracht Braunschweig hat mit Keita Endo (FC Tokyo), Brian Behrendt (Hallescher FC) und Kaan Caliskaner (Jagiellonia Bialystok) drei Akteure abgegeben, die in den Planungen keine Rolle mehr spielten. Während die Offensivkräfte Endo und Caliskaner nicht überzeugen konnten, fiel Behrendt auch dem mit der Nachverpflichtung von Bicakcic nochmals größer gewordenen Überangebot in der Innenverteidigung zum Opfer.
Auf der anderen Seite steht mit Niklas Tauer bisher erst ein Neuzugang. Der 22-Jährige, der im Jahr 2023 vom 1. FSV Mainz 05 an den FC Schalke 04 verliehen war, dort aber nicht zum Zug kam, wurde auf Leihbasis verpflichtet und ist trotz seiner grundsätzlichen Flexibilität wohl in erster Linie für das zentrale Mittelfeld eingeplant.
Weitere Neuzugänge sind im Bereich des Möglichen. Mit Baran Mogultay vom MSV Duisburg wird ein Linksverteidiger-Talent gehandelt. Und auch im Offensivbereich soll sich die Eintracht noch umsehen.
Vorbereitungsfazit & Prognose
Die Entwicklung unter Trainer Scherning vor Weihnachten und die Siege in den Testspielen gegen Werder Bremen (3:1) und Jahn Regensburg (1:0) sind absolute Mutmacher. Allerdings muss gerade die lange viel zu harmlose Offensive den jüngsten Trend erst nachhaltig bestätigen. Auch bleibt in dieser Hinsicht abzuwarten, ob und wann Torjäger Ujah wieder in Top-Form kommt und ob vielleicht noch weitere Verstärkung an Land gezogen werden kann.
Basierend auf den letzten Eindrücken und weil mit Rückkehrer Bicakcic ein absoluter Leader gefunden scheint, sehen wir bei der Eintracht das Potential für den Klassenerhalt. Angesichts der nicht optimalen Ausgangsposition erwarten wir aber tendenziell eher den Umweg über die Relegation als den Sprung ans rettende Ufer.