VfL Bochum: Hinter den Kulissen – der Stadionsprecher
Interview mit Michael Wurst
Michael Wurst, wie wird man eigentlich Stadionsprecher?
Michael Wurst: „Ich habe früher bei den Amateuren des VfL Bochum gespielt, in der 3. und 4. Liga. Zusätzlich war ich auch medial präsent, weil ich 2003 in einer Castingshow den 3. Platz belegt habe. Vor knapp zehn Jahren hat mich der VfL dann angerufen. Ich dachte, ich sollte Musik machen und bin dann zu einem Treffen ins Stadion gefahren. Und dann saß da die gesamte Vorstandsriege um Stefan Kuntz und Ansgar Schwenken. Die sagten dann zu mir, dass sie noch einen Stadionsprecher suchen und ob ich nicht Lust dazu hätte. Ich konnte das gar nicht glauben, habe aber direkt zugesagt.“
Wie sieht der Ablauf an einem Heimspieltag aus?
Wurst: „Wir treffen uns immer zweieinhalb, drei Stunden vor Anpfiff und sitzen dann erstmal lustig zusammen mit der Regie und den Jungs und Mädels vom Stadion-TV. Dann haben wir anderthalb Stunden vor dem Spiel eine Regie-Besprechung und exakt eine Stunde vor Anpfiff gehen die Lampen an und das Stadion-TV beginnt.“
Haben Sie Einfluss darauf, welche Musik gespielt wird?
Wurst: „Auf die Musik habe ich gar keinen Einfluss. Bei der Regie-Besprechung geht es eher darum, welche Themenschwerpunkte wir setzen. Oft haben wir vor dem Spiel ja auch Talk-Gäste wie Politiker, Schauspieler oder Fußballer. Darüber wird dann im Vorfeld gesprochen, aber um die Mucke kümmert sich der VfL.“
Was war Ihr lustigstes Erlebnis als Stadionsprecher?
Wurst: „Das war zu Erstliga-Zeiten bei einem Spiel gegen Schalke. Wir standen zu zweit unten auf dem Rasen und die Lautsprecher-Anlage im Stadion hat nicht funktioniert. Um die Mikros zu testen, haben mein Kollege und ich dann angefangen, diese ‚Deine-Mudda-Sprüche‘ herunterzubeten, die damals In waren. Irgendwann hat alles wieder funktioniert.
Nach dem Spiel sind wir dann hoch in die Regie, wo uns der Kollege vom Mischpult dann sagte: ‚Ach Jungs, übrigens: Im VIP-Raum hat die Anlage wunderbar funktioniert. Da wundern sich jetzt alle, warum Ihr Eure Mütter so beleidigt habt!‘ (lacht) Da bin ich dann auch relativ schnell gegangen, weil ich keinem mehr über den Weg laufen wollte.“
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Spielern – gibt es da den einen oder anderen, der Extra-Wünsche bei den Durchsagen hat?
Wurst: „Nein, das nicht. Das Verhältnis zu den Spielern ist ganz gut. Wir sind ja auch nicht nur im Stadion am Start, da gibt es auch immer wieder externe Veranstaltungen, an denen auch die Spieler teilnehmen. Und die Kontakte bleiben dann auch: Ich verstehe mich zum Beispiel mit Marcel Maltritz super, der vor wenigen Jahren aufgehört hat und jetzt in der Marketingabteilung des VfL arbeitet.“
Wo verfolgen Sie das Spielgeschehen und haben Sie jemanden, der Sie unterstützt – gerade bei unklaren Torschützen?
Wurst: „Wir sitzen immer im Stadion, ganz normal bei den Fans – da fühle ich mich am wohlsten. Dass ich den Torschützen nicht klar erkennen konnte, ist bisher ganz selten passiert. Ich bin ja auch selbst VfL-Fan, deshalb bin ich schon immer zu 100 Prozent mit den Augen auf dem Spielfeld. Und wenn es doch mal eng ist, dann kann man meistens anhand des Jubels der Spieler relativ klar sehen, wer das Tor gemacht hat.“
Vor den Spielen wird immer Herbert Grönemeyers „Bochum“ gespielt, das ursprünglich nicht als Fußball-Hymne geschrieben wurde. Sie sind selbst Sänger – mal überlegt, eine eigene Hymne für den VfL zu schreiben?
Wurst: „Für mich war immer ganz wichtig, dass ich das eine von dem anderen trenne. Kein VfL-Fan sollte je das Gefühl kriegen, dass ich im Stadion auf irgendeine Art und Weise meine Musik platzieren möchte. Und ganz ehrlich: So eine Nummer wie ‚Bochum‘ von Grönemeyer, die kann man nicht toppen! Das ist so groß in dieser Stadt – vergleichbar vielleicht nur noch mit ‚Hamburg, meine Perle‘ von Lotto King Karl. Das kann man nicht besser machen, deshalb lasse ich die Finger davon.“
Als Stadionsprecher müssen Sie auch bei Fehlverhalten von Fans (Stichwort: Pyro) aktiv werden. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihre Durchsagen eh nichts bringen?
Wurst: „Ja, das Gefühl hat man schon hin und wieder. Aber man sollte die Power, die man mit einem Mikro in der Hand hat, nicht unterschätzen. Ich kann mich da noch an eine Situation erinnern, da hatten wir ein Heimspiel gegen Dynamo Dresden, die mit ihren gelb-schwarzen Trikots bei uns in Bochum sowieso nicht so gut ankommen. Da haben wir in der 80. Minute das 2:1 erzielt.
Nach der Tor-Durchsage habe ich dann noch angefügt: ‚Eine Kleinigkeit noch für die Gäste-Fans: Gelb-Schwarz gibt es in unserer Stadt nicht!‘ Ich hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da flogen gefühlt 500 Liter Bier in Richtung Platz. Da gab es richtig Theater, auch weil der Kinderblock direkt neben der Gäste-Kurve war. Dafür habe ich eine Abmahnung von der DFL bekommen.“
Wann arbeiten Sie als Stadionsprecher in der Bundesliga?
Wurst: „Ich hoffe, so schnell wie möglich. Der VfL hat es nicht leicht, denn die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind hier einfach begrenzt. Aber ich glaube, wir machen gerade eine ganz gute Entwicklung durch und haben in zwei bis drei Jahren ganz gute Chancen, aufzusteigen. Ich wünsche mir natürlich, dass es schon 2017 klappt.“
Vielen Dank für das Interview! Wer mehr von Michael Wurst hören will: Der VfL-Stadionsprecher ist jeden Montag ab 21 Uhr in der WDR-Doku-Soap „Familie Wurst – Mit Herz und Haaren“ zu sehen.