SSV Ulm Teamcheck

Analyse & Prognose zur neuen Saison

Autor: Johannes Ketterl Veröffentlicht: Montag, 29.07.24 | 10:05
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Tom Gaal war 2023/24 fester Bestandteil der besten Drittliga-Defensive. © IMAGO / Langer

Nach langen 23 Jahren Abwesenheit inklusive einem vorübergehenden Sturz in die Fünftklassigkeit meldet sich der SSV Ulm 1846 zurück in der 2. Bundesliga. Die Spatzen haben in der Regionalliga 2022/23 sowie vergangene Saison in der 3. Liga zwei Meisterschaften in Folge gefeiert und peilen nun natürlich in erster Linie den Verbleib in der 2. Bundesliga an, der bei der rasanten Entwicklung der jüngeren Vergangenheit der nächste große Erfolg wäre.

Wir haben uns eingehend mit dem SSV Ulm beschäftigt, blicken auf die Kaderveränderungen und die Vorbereitung, nennen die potentielle Startelf und wagen abschließend auch eine Prognose.

Kommen & Gehen

Mi Léo Scienza, der von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machte und sich dem 1. FC Heidenheim anschloss, hat der SSV Ulm den mit zwölf Toren und 15 Vorlagen herausragenden Akteur der vergangenen Drittliga-Saison verloren. Neben dem nicht zu haltenden Brasilianer verließen auch der in der Rückrunde vom VfB Stuttgart ausgeliehene Angreifer Thomas Kastanaras sowie Ersatzkeeper Lorenz Otto (Rot-Weiß Erfurt), Moritz Hannemann (Würzburger Kickers), Christoph Maier (TSV Steinbach, war schon verliehen), Mert Tasdelen (SG Sonnenhof Großaspach, war schon verliehen) und Nicolas Jann (Ziel offen) den Verein – bis auf den regelmäßig zumindest eingewechselten Routinier Jann spielten alle aber nur eine Nebenrolle.

Im Gegenzug holten die Spatzen bislang neun Neue hinzu. Der 27-jährige Innenverteidiger Niklas Kolbe von den Stuttgarter Kickers ist darunter schon der älteste, verfügt aber über keine Zweitliga-Erfahrung. Die beiden 24-jährigen Niklas Kölle (MSV Duisburg) und Jonathan Meier (Dynamo Dresden) stellen neue Alternativen auf der linken Abwehrseite dar und werden ebenso fest verpflichtet wie die Angreifer Semir Telalovic (Blackburn Rovers) und Niklas Castelle (FC Schalke 04).

Mit Maurice Krattenmacher (FC Bayern München), Laurin Ulrich (VfB Stuttgart), Luka Hyryläinen (TSG 1899 Hoffenheim) und Aaron Keller (SpVgg Unterhaching) sicherte sich der SSV zudem vier große Talente im Alter von 18 bis 20 Jahren, die Ulm allesamt als Sprungbrett auf dem erhofften Weg in die Bundesliga sehen dürften.

So lief die Vorbereitung

Der SSV Ulm hat auf normale Testspiele gegen kleinere Klubs aus der Umgebung verzichtet, sondern es zum Aufgalopp bei einem Blitzturnier mit verkürzten Spielen gegen den FC Kempten (1:1, 6:5 n.E.) und den FC 08 Homburg (2:1) belassen. Danach ging es im ersten richtigen Vorbereitungsspiel direkt gegen den FC Basel, dem immerhin ein 1:1 abgerungen wurde. Im zweiten Test siegten die Spatzen bei der SpVgg Unterhaching, die vergangene Saison noch Gegner in der 3. Liga war, mit 3:1.

Am vergangenen Wochenende traten de Spatzen dann gleich zu zwei Tests gegen Drittligisten an, die beim FC Ingolstadt (1:1) und gegen den VfB Stuttgart II (2:2) jeweils ohne Sieger endeten.

Stärken & Schwächen

Der SSV Ulm war unter dem Strich das Top-Team der vergangenen Drittliga-Saison und landete nicht grundlos mit zehn Punkten Vorsprung auf Preußen Münster auf Platz eins. Besondere die defensive Stabilität, die nicht unwesentlich auf eine hohe Geschlossenheit und eine (lauf-)intensive Spielweise zurückzuführen war, ragte heraus. 38 Gegentreffer waren so ligaweit die wenigsten – in den 19 Spielen der Rückserie ließen die Spatzen sogar nur zwölf Gegentreffer zu.

Auch dank einer ausgeprägten Stärke bei Standardsituationen, die auf der anderen Seite auch in entscheidenden Toren mündeten. Diese Qualität gilt es beizubehalten, zumal schon auch der eine oder andere Punkt eine gewisse Skepsis erlaubt. Etwa die geringe Erfahrung der Mannschaft, die vorwiegend mit jungen Spielern verstärkt bzw. ergänzt wurde. Deren Potential ist zwar unbestritten, doch ob es reicht, um auf Anhieb in der 2. Bundesliga eine wichtige Rolle einzunehmen, bleibt abzuwarten. Generell könnte ohne den abgewanderten Scienza gerade die Offensive zur Problemzone werden.

Der Trainer

Nach großen Erfolgen mit den Frauen des FC Bayern München (u.a. 2x Deutscher Meister) und einer längeren Pause hat sich Thomas Wörle im Sommer 2021 zum Schritt in den Herrenfußball entschieden – und ist damit zum Glücksgriff für den SSV Ulm avanciert, mit dem der frühere Zweitliga-Profi (Greuther Fürth, Kickers Offenbach) zunächst in der Regionalliga Vize-Meister wurde, um dann bis in die 2. Bundesliga durchzumarschieren.

Mit 42 Jahren gehört Wörle, der seine aktive Karriere verletzungsbedingt schon mit 28 beenden musste, noch immer zu den jüngeren Trainern. Sollte die Ulmer Entwicklung nun auch in der 2. Liga positiv bleiben, würde der gebürtige Krumbacher automatisch noch mehr als ohnehin schon ins Blickfeld größerer Vereine rücken.

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Seit Juli 2021 Trainer in Ulm: Thomas Wörle. © IMAGO / Eibner

Der potentielle Shooting-Star

Im Ulmer Kader finden sich gleich mehrere junge Spieler, denen Experten eine große Karriere zutrauen. Noch vor Laurin Ulrich und Aaron Keller ist in diesem Zusammenhang sicherlich Maurice Krattenmacher zu nennen, den der FC Bayern München für eine Millionenablöse von der SpVgg Unterhaching verpflichtet und dann direkt an die Spatzen verlieren hat.

Der erst 18 Jahre alte Offensivmann gilt als möglicher Nachfolger für Top-Scorer Scienza, muss nach einem Tor und sieben Vorlagen in 33 Drittliga-Spielen der vergangenen Saison aber den Sprung auf ein körperlich nochmals höheres Level schaffen und an Effizienz zulegen. Spielerisch steht außer Frage, dass Krattenmacher alle Anlagen dazu hat, Scienzas tragende Rolle zu übernehmen.

Die mögliche Startelf

Ortag – Gaal, Reichert, Strompf – Stoll, Maier, Brandt, Rösch – Chessa, Telalovic, Krattenmacher

Fazit & Prognose

Der Durchmarsch durch die 3. Liga war kein Zufall, stellt viele Ulmer Akteure aber nun vor die Herausforderung, sich schon wieder einem höheren Level anpassen zu müssen. Dass das erneut so erfolgreich gelingt wie im vergangenen Jahr, ist nicht zu erwarten. Zudem reißt der Abgang von Unterschiedsspieler Scienza eine riesige Lücke, die nicht ohne Weiteres zu schließen sein wird.

Entscheidend dürfte werden, wie die vielen hochtalentierten Neuzugänge einschlagen. Können Ulrich, Krattenmacher und Co. schnell Fuß fassen, ist in Kombination mit dem ausgeprägten Zusammenhalt der letzten Aufstiegsjahre der Klassenerhalt drin. Der Weg dorthin wird aber auf jeden Fall steinig.