Richard Neudecker: Wir sind sehr unzufrieden

Der Mittelfeldmann des FC St. Pauli im Interview

Autor: Christian Slotta Veröffentlicht: Sonntag, 09.09.18 | 07:46
Richard Neudecker bejubelt seinen Treffer zum 1:0 gegen den SV Darmstadt

Mit dem Treffer zum 1:0 legte Richard Neudecker den Grundstein für den Sieg gegen Darmstadt. ©imago/Metelmann

Richard Neudecker zählt zu den großen Aufsteigern des FC St. Pauli. Im Interview mit Liga-Zwei.de spricht der 21-Jährige über den Saisonstart seiner Mannschaft, das Ende September stattfindende Derby gegen den HSV, seine emotionale Bindung zu 1860 München und seine gemeinsamen Spiele mit den Nationalspielern Timo Werner und Jonathan Tah.

Herr Neudecker, der FC St. Pauli hat nach vier Spieltagen sechs Punkte auf dem Konto. Zuletzt gab es aber inklusive dem Pokalspiel drei Pflichtspielniederlagen in Folge. Wie fühlt sich die Situation momentan an?
Richard Neudecker: „Wir sind zwar mit zwei Siegen in die Saison gestartet, sind nach den letzten drei Spielen aber sehr unzufrieden. Wir haben gegen den 1. FC Köln eigentlich kein schlechtes Spiel gemacht. Allerdings unterliefen uns zu einfache Fehler. Das müssen wir im nächsten Spiel gegen Erzgebirge Aue besser machen.“

Der FC St. Pauli hat bislang acht Tore erzielt. Nur der Tabellenführer Köln traf noch häufiger. Andererseits gab es auch zehn Gegentreffer – der schlechteste Wert der Liga. Fehlt noch die Balance zwischen Offensive und Defensive?
Neudecker: „Ja, auf jeden Fall. In den ersten beiden Spielen haben wir noch alles in die Defensive geschmissen und unser Tor gut verteidigt. Das hat in den letzten drei Spielen gefehlt. Wir hatten drei Gegentore, vier Gegentore und fünf Gegentore. So kann es nicht weitergehen, so gewinnen wir keine Spiele. Wir müssen als Team besser verteidigen.“

„ Ich freue mich so, als hätte ich selber mitgespielt. ”
über Siege von 1860 München

Themawechsel: Sie sind beim TSV 1860 München groß geworden, bis Sie dann 2016 nach Hamburg gewechselt sind. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen 1860 und St. Pauli, da beide Vereine eine große Fanbase haben, aber in der öffentlichen Wahrnehmung die Nummer 2 in der Stadt sind?
Neudecker: „Es gibt Parallelen. Beide Vereine haben eine riesige Fanbase und viel Tradition. Ein Unterschied ist aber beispielsweise, dass beim FC St. Pauli mehr Ruhe herrscht – vor allem in der Vereinsführung. Für einen jungen Spieler wie mich ist es super, wenn man sich in einem ruhigen Umfeld weiterentwickeln und voll auf den Fußball konzentrieren kann.“

Ihr Ex-Verein ist gut in die Saison gestartet. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, kommende Saison 1860 München in der 2. Bundesliga wiederzusehen?
Neudecker: „Ich verfolge das natürlich, weil ich mit vielen Spielern von 1860 München noch befreundet bin. Wenn die ihre Spiele gewinnen, freue ich mich noch immer so, als hätte ich selber mitgespielt. Die Chance auf den Aufstieg in die 2. Bundesliga ist auf jeden Fall vorhanden. Es wird eine harte und lange Saison, aber ich habe ein gutes Gefühl.“

„ Die ersten Monate waren sehr hart. ”
seine Anfangszeit bei St. Pauli

Wie sehr hat sich Ihr Leben verändert, als Sie mit nicht ganz 20 Jahren Ihre Heimat München verlassen und an das andere Ende von Deutschland gezogen sind?
Neudecker: „Ich hatte zwar auch in München meine eigene Wohnung. Trotzdem war es ein großer Schritt, nach Hamburg zu ziehen. Die ersten Monate waren sehr hart, weil ich mit einer Verletzung hierher kam. Das macht es schwieriger, in die Mannschaft zu kommen. Aber der Zusammenhalt im Team war überragend. Die Mitspieler haben mich von Anfang an gut integriert. Insgesamt sind Hamburg und München für mich die zwei geilsten Städte in Deutschland.“

Trainer Markus Kauczinski hat Sie in jedem Ligaspiel eingesetzt, wenn Sie fit waren. Oft standen Sie auch in der Startelf. Ist er Ihr bislang wichtigster Förderer?
Neudecker: „Er ist ein sehr wichtiger Trainer für mich. Ich freue mich, dass er mir das Vertrauen schenkt. Auch menschlich ist er nicht zu toppen. Er ist ein cooler Typ, relativ entspannt und hat ein Ohr für jeden Spieler. Das ist ein großes Plus.“

Sie waren U-Nationalspieler und haben mit Leuten wie Jonathan Tah, Julian Brandt, Nadiem Amiri und Timo Werner gespielt, die heute in der Bundesliga oder auch in der Nationalmannschaft aktiv sind. Stachen diese Spieler bereits damals hervor?
Neudecker: „Jonathan Tah war schon damals eine absolute Maschine. Nadiem Amiri war spielerisch absolut eine Klasse für sich, Julian Brandt war sehr schnell und Timo Werner hat in jedem Spiel getroffen. Das war schon eine andere Klasse. Solche Spieler stachen hervor – besonders Tah und Werner.“

„ Geiler Gegner, zwei Vereine in der gleichen Stadt, große Rivalität – besser geht’s nicht ”
über das Derby gegen den HSV

Gibt es Spieler auf Ihrer Position, zu denen Sie besonders aufblicken?
Neudecker: „David Silva von Manchester City finde ich überragend. Von ihm kann ich mir auch ein bisschen etwas abschauen, weil er ein Linksfuß ist. Er spielt zwar etwas zentraler als ich, hat aber eine ähnliche Art, Fußball zu spielen. Und dann habe ich mir natürlich auch einiges von Iniesta abgeschaut – auch wenn das schwer nachzumachen ist.“

Zurück zum Ligaalltag: Auch wenn natürlich die nächsten Spiele im Fokus stehen – wie groß ist die Vorfreude auf das Spiel, welches am 30. September stattfinden wird?
Neudecker: „Sie meinen das Derby gegen den HSV. Natürlich freut man sich auf das Spiel. Allerdings wissen wir noch nicht, wo wir stehen. Wir haben nun zwei Spiele gewonnen und zwei Spiele verloren. Die Konzentration muss daher auf dem nächsten Gegner FC Erzgebirge Aue liegen.“

Das Spiel gegen den HSV findet zunächst auswärts im 57.000 Zuschauer fassenden Volksparkstadion statt. Haben Sie sich dort schon einmal mit der Atmosphäre vertraut gemacht?
Neudecker: „Ich habe mir vergangene Saison das Heimspiel des HSV gegen Borussia Dortmund angesehen. Klar: Wenn ich daran zurückdenke, kommt Vorfreude auf das Derby auf: geiler Gegner, zwei Vereine in der gleichen Stadt, große Rivalität – besser geht’s nicht.“

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Neudecker!

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