Johannes Eggestein vom FC St. Pauli im Exklusiv-Interview
"Natürlich ist es ein Traum, aufzusteigen“
Johannes Eggestein vom FC St. Pauli spricht im Interview mit Liga-Zwei.de über den Aufstiegskampf, die bevorstehenden Spiele in der 2. Bundesliga und im DFB-Pokal gegen Fortuna Düsseldorf sowie über sein Tor gegen Tottenham Hotspur.
Herr Eggestein, Sie haben mit dem FC St. Pauli am vergangenen Spieltag den 1. Tabellenplatz zurückerobert. Wie präsent ist der Traum vom Aufstieg?
Natürlich ist es für jeden Fußballspieler ein Traum, erfolgreich zu sein und aufzusteigen. Wir als Mannschaft haben aber gesagt, dass wir weiterhin geduldig bleiben müssen. Wir haben gerade erst das erste Rückrundenspiel hinter uns. Selbstverständlich war dieser Sieg wichtig, um gut in das Jahr zu kommen – gerade nachdem wir in der Wintervorbereitung das Testspiel gegen Osnabrück verloren hatten. Wir haben uns danach noch einmal hinterfragt und Änderungen vorgenommen, speziell gegen tiefstehende Gegner. Es war sehr wichtig für uns, gegen Kaiserslautern wieder zu gewinnen, Tore zu schießen und hinten zu Null zu spielen. Aber wir verfallen nicht in Euphorie.
Sie haben bereits gegen alle Mannschaften in der 2. Bundesliga gespielt. Welches Team schätzen Sie im Aufstiegskampf am stärksten ein?
Von allen anderen Teams dürfte der Hamburger SV fußballerisch am stärksten sein. Allein von der individuellen Qualität her haben sie vielen Mannschaften etwas voraus und spielen zudem einen guten Ball.
Sie treffen nun zweimal innerhalb von 72 Stunden auf Fortuna Düsseldorf. Samstagabend findet das Top-Spiel der 2. Bundesliga in Düsseldorf statt, Dienstagabend folgt dann das Heimspiel im DFB-Pokalviertelfinale. Welches Spiel hat für Sie mehr Brisanz?
Das kann man gar nicht so sagen. Wir fokussieren uns erst auf das Spiel in der Liga, dann auf das Pokalspiel. Beide Spiele sind enorm wichtig für uns. Das Ligaspiel in Düsseldorf wird nicht einfach. Das Stadion wird vermutlich ausverkauft sein. Die Fortuna hat eine sehr erfahrene Mannschaft, spielt hart und verteidigt gut. Ich glaube, das wird eine enorme Herausforderung. Daher fokussieren wir uns erst einmal darauf, und erst danach auf das Pokalspiel am Millerntor.
Sie befinden sich nun in Ihrer zweiten Saison beim FC St. Pauli. Seitdem Fabian Hürzeler vor gut einem Jahr zum Cheftrainer befördert wurde und somit die Nachfolge von Timo Schultz antrat, befindet sich die Mannschaft auf der Erfolgsspur. Wie hat er das hinbekommen?
Das ist eine gute Frage, die ich vermutlich gar nicht komplett beantworten kann. Fabian hat vom ersten Tag an sehr engagiert gearbeitet. Er hat uns seine Idee, wie er mit uns arbeiten und Fußball spielen möchte, vorgelebt und gut vermittelt. Das hat er bis jetzt immer gut durchgezogen. Schlechte Trainingseinheiten oder schlechte Spiele gab es bislang kaum, weil Fabian Tag für Tag die Bereitschaft einfordert, dass wir uns verbessern. Wenn man so akribisch arbeitet, zahlt sich das über einen langen Zeitraum aus. Es ist nie vorgekommen, dass wir uns auf die bisherigen Erfolge ausruhen. Hinzu kommt das taktische Verständnis von Fabian.
Wie groß ist der Nachteil, dass der Trainer aufgrund seiner Sperre am Samstagabend nicht auf der Bank sitzen darf?
Das wird mit Sicherheit ungewohnt für uns sein, denn Fabian ist normalerweise sehr akribisch und lautstark an der Seitenlinie. Aber wir haben ein gutes Trainerteam, das dies mit Sicherheit auffangen wird. Zudem kann uns Fabian ja im Vorfeld des Spiels ganz normal vorbereiten.
Der 19-jährige defensive Mittelfeldspieler Aljoscha Kemlein wurde erst vor gut zwei Wochen vom 1. FC Union Berlin ausgeliehen und ist bereits voll integriert. Was zeichnet ihn aus?
Zunächst einmal passt er menschlich sehr gut bei uns hinein. Er hat sich gut eingelebt und fühlt sich, glaube ich, auch sehr wohl. Sportlich passt er sehr gut in unsere Mannschaft, hat gute Laufwege, bewegt sich gut und bringt eine gute Dynamik mit. Seine körperliche Verfassung ist sehr stabil, er gewinnt wichtige Zweikämpfe, unter anderem auch vor dem 1:0 gegen Kaiserslautern. Er ist ein Spieler, der uns auf jeden Fall weiterbringt.
Sprechen wir noch einmal über Ihren Werdegang. Ihr Vater Karl Eggestein war früher ebenfalls Fußballprofi in der 2. Bundesliga. War der Weg von Ihnen und Ihrem Bruder Maximilian Eggestein damit vorgezeichnet?
Ein stückweit schon, weil unser Vater viel Fußball mit uns gespielt hat. Aber es war nicht so, dass der Fußball in unserer Familie an Nummer 1 stand. Es war nie das Ziel unserer Eltern, dass wir Fußballprofis werden. Ganz im Gegenteil: Wir haben selber lange nicht damit gerechnet, dass wir Profis werden würden. Unsere Kindheit war ganz normal. Für meine Eltern war vor allem wichtig, dass wir unseren Schulabschluss bzw. unser Abitur machen. Schule stand an erster Stelle, der Fußball kam erst danach. Aber natürlich hat man mit der Zeit festgestellt, dass wir fußballerisch relativ gut sind. Dies hat sich dann weiterentwickelt, bis wir schließlich unseren ersten Profivertrag bei Werder Bremen bekamen.
Sie haben bereits zwei Auslandsstationen hinter sich, spielten in der österreichischen Bundesliga für LASK und in Belgien für Royal Antwerpen. Wie blicken Sie auf diese Stationen zurück?
Zunächst einmal war das sehr bereichernd. Ich bin sehr dankbar, dass ich durch den Fußball die Chance bekam, in der Welt herumzukommen und andere Länder sowie Ligen kennenzulernen. Sportlich lief es für mich in Österreich natürlich besser als in Belgien. Das hing auch damit zusammen, dass dort unterschiedlich Fußball gespielt wird. Der Fußball in Österreich ist sehr ähnlich wie der Fußball in Deutschland. In Belgien hingegen ist der Fußball individueller, es gibt sehr viele Spieler, die physisch sehr stark sind und in die Eins-gegen-Eins-Duelle gehen. Vielleicht habe ich mit meinem Stil dort nicht so gut hineingepasst. Dennoch war auch die Zeit in Belgien menschlich eine gute Erfahrung.
Mit beiden Vereinen waren Sie in der Europa League aktiv. Im Dezember 2020 spielten Sie mit dem LASK sogar 3:3 gegen Tottenham Hotspur und schossen ein Tor. Was das eines der ganz großen Highlights Ihrer Fußball-Karriere?
Ja, das war ein besonderes Spiel. Dass wir gegen diese Mannschaft 3:3 spielen, war nicht unbedingt zu erwarten. Im Sturm von Tottenham spielten damals Heung-min Son, Gareth Bale und Lucas Moura. Das war eine schöne Erfahrung. Überhaupt die Chance bekommen zu haben, in Österreich und auch in Belgien international in der Europa League zu spielen, war etwas ganz Besonderes.
Sie haben insgesamt 46 Bundesligaspiele für den SV Werder Bremen absolviert. Fühlen Sie sich mit dem Verein noch immer verbunden? Haben Sie sich zum Beispiel gefreut, als Bremen am Sonntag gegen den FC Bayern München gewann?
Klar habe ich mich darüber gefreut, dass Bremen gegen Bayern gewonnen hat – zumal dies schon sehr lange nicht mehr gelungen ist. Ich habe das mit Bremen damals leider nicht geschafft (grinst). Ich habe durchaus noch eine Verbundenheit zum Verein, vor allem aber zu den Leuten, die im Verein arbeiten, und auch zu der Stadt. Als wir im Oktober ein Testspiel in Bremen hatten, bin ich erst einmal dortgeblieben. Das fühlte sich wie „nach Hause kommen“ an. Am kommenden Wochenende spielt Werder Bremen allerdings gegen den SC Freiburg. Weil mein Bruder für Freiburg spielt, muss ich in diesem Fall leider für Freiburg sein (lacht).
Mehr News zum FC St. Pauli? Dann folge gerne auch unserer neuen St. Pauli-Seite auf Facebook!