Union Berlin: Interview mit Felix Kroos
"Der Trainerwechsel war einen Versuch wert"
Nach der enttäuschenden Rückrunde von Union Berlin zieht Kapitän Felix Kroos im Interview mit Liga-Zwei.de ein Fazit, spricht außerdem über die Qualität der Liga, aber auch über Vergleiche mit seinem Bruder Toni Kroos und die bevorstehende Weltmeisterschaft.
Herr Kroos, Union Berlin hat die Saison auf dem 8. Tabellenplatz abgeschlossen. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Felix Kroos: „Sowohl der Tabellenplatz wie auch die spielerischen Leistungen sind nicht zufriedenstellend. Wir hatten uns viel mehr vorgenommen.“
War der Trainerwechsel letztendlich der Knackpunkt, der die Saison zum Wanken gebracht hat? Die Freistellung von Jens Keller stieß damals in der Öffentlichkeit auf viel Unverständnis.
Kroos: „Der Verein hatte nachvollziehbare Gründe dafür – auch wenn das für die Öffentlichkeit nicht immer nachvollziehbar ist. Ich denke, dass der Trainerwechsel einen Versuch wert war. Manchmal führt so ein Schritt in die eine Richtung, manchmal in die andere Richtung. Leider hatten wir nicht die erhofften Ergebnisse.“
Trainer André Hofschneider, Lizenzspieler-Leiter Helmut Schulte und Geschäftsführer Sport Lutz Munack wurden von ihren Posten enthoben. Wie fühlen sich solche „Aufräumarbeiten“ als Spieler an? Fühlt man sich schuldig?
Kroos: „Schuldzuweisungen helfen uns jetzt nicht weiter. Dennoch sollte sich jeder an die eigene Nase fassen. Jeder Spieler sollte sich Gedanken machen, was er diese Saison geleistet hat und was er besser machen kann. Jeder Profi hat die Pflicht, seinen größtmöglichen Teil zum Erfolg der Mannschaft beizutragen. Ich glaube nicht, dass das jeder getan hat.“
Hat der Druck, dass man diese Saison unbedingt aufsteigen möchte, die Mannschaft vielleicht teilweise gelähmt?
Kroos: „Auch wenn man viel Qualität hat, werden einem in dieser Liga keine Siege geschenkt. Und wer aufsteigen möchte, muss einen Großteil der Spiele gewinnen. Wenn man das in einigen Spielen nicht schafft, wird der Druck natürlich nicht kleiner. Letztendlich können wir noch froh sein, dass wir am Ende nicht ganz unten reingerutscht sind.“
Eine verrückte Saison liegt nun hinter uns. Kaiserslautern und Braunschweig sind in die 3. Liga abgestiegen. Dafür spielt Holstein Kiel nun in der Relegation um den Aufstieg in die Bundesliga. Spricht das für die Ausgeglichenheit der Liga?
Kroos: „Das spricht sicherlich für die Ausgeglichenheit, allerdings nicht unbedingt im positiven Sinne. Die Qualität war diese Saison nicht sehr hoch. Wenn der Tabellen-5. kurz vor Saisonende nicht einmal den Klassenerhalt sicher hat, kann ich nicht von hoher Qualität sprechen.“
Der 1. FC Köln und der Hamburger SV spielen kommende Saison in der 2. Bundesliga. Möglicherweise wird der VfL Wolfsburg folgen. Sind die Aufstiegsplätze damit fest vergeben?
Kroos: „In der 2. Liga wird ein anderer Fußball gespielt als in der Bundesliga. Daran müssen sich diese Mannschaften erst einmal gewöhnen. Trotzdem werden sie den Anspruch haben, direkt wieder aufzusteigen. Wenn man sieht, was in Köln passiert, wie viele Spieler mit Erstliga-Qualität dort bleiben, ist der Anspruch natürlich hoch, der Druck allerdings auch. Es wird interessant, wie sie damit umgehen.“
Themawechsel: Sie stammen aus einer Sportlerfamilie. Ihr Vater war Jugendtrainer, ihre Mutter eine erfolgreiche Badminton-Spielerin. Hat sich in Ihrer Kindheit alles um Sport bzw. Fußball gedreht?
Kroos: „Absolut. Mein Tagesablauf bestand aus Schule, Fußball, Schlafen und dann ging es wieder von vorne los. Fußball stand rund um die Uhr im Mittelpunkt. Im Endeffekt hat sich das ja auch gelohnt, da mein Bruder und ich unsere Träume verwirklicht haben.“
Ihr Vater war teilweise Ihr Trainer, Ihr Bruder Toni Ihr Mitspieler. Wie fühlt sich das an, wenn Fußball praktisch zu einer Familienunternehmung wird?
Kroos: „Toni und ich haben nicht immer zusammengespielt. Weil er ein Jahr älter ist als ich, haben wir uns einige Male auch verpasst. Aber es gab natürlich auch viele gemeinsame Spiele. Und zu meinem Vater: Da zu Hause weiter individuell trainiert wurde, hat es sicherlich seine Vorteile, wenn der Vater auch der Trainer ist.“
Ihr Bruder Toni ist mit 16 Jahren zum FC Bayern München gegangen. Sie haben die komplette Jugendzeit bei Hansa Rostock verbracht. Gab es auch bei Ihnen Überlegungen, frühzeitig in die Nachwuchsabteilung eines höherklassigen Vereins zu wechseln?
Kroos: „Natürlich gab es Überlegungen und Angebote. Aber mit 16 Jahren bereits von zu Hause wegzugehen, wäre mir zu früh gewesen. Zumal ich in Rostock sehr gute Bedingungen vorfand. Damals spielte der Verein noch in der 2. Bundesliga. Ich konnte mit 17 Jahren bereits bei den Profis mittrainieren und meine ersten Zweitliga-Spiele machen. Mit 19 Jahren habe ich dann den Schritt zu Werder Bremen gemacht.“
War es zu Beginn Ihrer Karriere manchmal eine Belastung, in der Öffentlichkeit an Ihrem Bruder gemessen zu werden?
Kroos: „Es war nicht einfach, immer mit meinem Bruder verglichen zu werden. Zumal das eh Quatsch ist. Toni gehört zu den fünf oder zehn besten Spielern der Welt, ist auf seiner Position weltweit sogar der beste.
Die Wahrscheinlichkeit, in einer Familie zwei solche Spieler hervorzubringen, ist nicht sehr groß. Ich mache mir keine Gedanken über solche Vergleiche. Gerne wird mir dann unterstellt, dass ich neidisch wäre. Das ist aber der allergrößte Quatsch. Ich freue mich am allermeisten über seine Erfolge.“
Wie werden sie die Weltmeisterschaft verfolgen und wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass Ihr Bruder zum zweiten Mal Weltmeister wird?
Kroos: „Das erste Gruppenspiel verfolge ich mit Sicherheit vor Ort, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch Urlaub habe. Ab dem zweiten Gruppenspiel werde ich bereits in der Saisonvorbereitung sein und am Fernseher die Daumen drücken. Ich denke, dass die Nationalmannschaft von der individuellen Qualität noch besser besetzt ist als 2014. Wenn sie wieder als Einheit auftreten, haben sie gute Chancen.“
Herr Kroos, vielen Dank für das Gespräch!
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