SV Darmstadt 98: Interview mit Ex-Spieler Benjamin Gorka
"Dirk Schuster hat ein wahnsinniges Fingerspitzengefühl"
Fünf Jahre kickte Benjamin Gorka am „Bölle“, seit vergangenem Sommer ist der gebürtige Mannheimer jedoch ohne Verein. Im Interview mit Liga-Zwei.de schildert der 33-Jährige seine Sicht auf die aktuelle Entwicklung bei den Lilien, spricht über die Besonderheiten des Vereins und die Rolle von Jonathan Heimes.
Herr Gorka, Sie haben in Ihrer Karriere oft den Verein gewechselt, waren dann vereinslos und fanden schließlich in Darmstadt Ihr Glück. Wieso passte es zwischen Ihnen und den 98ern so gut?
Benjamin Gorka: „Mir war es immer wichtig, einen Verein zu finden, der viel Wert auf´s Familiäre sowie einen gepflegten Umgang legt. Das war damals bei Darmstadt der Fall. Heutzutage ist solch eine ausgeprägte familiäre Atmosphäre innerhalb eines Vereins schon einzigartig. Daher mache ich mir momentan auch bei der Vereinssuche keinen großen Druck. Ich möchte nicht einfach ein Angebot annehmen, nur damit ich irgendetwas habe.“
Sie waren Leistungsträger, schafften mit den Lilien den Durchmarsch in die Bundesliga, stiegen im letzten Jahr allerdings auch wieder ab. Was hat sich im Verein über die Jahre am meisten verändert?
Gorka: „Eigentlich die Trainingsbedingungen. Der Umgang blieb immer gleich, egal in welcher Liga wir gespielt haben. Anfangs hatten wir nur einen Platz, der noch dazu nicht der beste war. Jetzt hat Darmstadt noch zwei weitere Rasenplätze, die sensationell gut sind. Im Trainingstrakt hatten wir über die Jahre hinweg immer bessere Möglichkeiten. Da hat sich einiges zum Positiven entwickelt.“
Verfolgen Sie die Spiele Darmstadts noch regelmäßig?
Gorka: „Jedes einzelne. Ich war bei fünf Heimspielen im Stadion oder habe auch ab und zu bei den Trainingseinheiten vorbeigeschaut. Der Kontakt ist nie abgerissen, auch nicht zum Präsidium. Momentan tut es mir ein bisschen weh, wenn man die aktuelle Situation der Lilien sieht.“
Die Darmstädter Truppe war immer ein eingeschworener Haufen, der zuletzt ziemlich durcheinandergewirbelt wurde. Wie viel von dem alten Kampfgeist steckt noch in den Lilien?
Gorka: „Was wir uns über die Jahre aufgebaut haben, kann man den Leuten gar nicht so einimpfen und musste auch erst wachsen. Allerdings sind auch viele Spieler von damals nicht mehr in Darmstadt. Aber Spieler wie Aytac Sulu, Peter Niemeyer und Sandro Sirigu sind noch an Board und leben das immer noch vor. Im Grunde kann man diesen Lilien-Geist Dirk Schuster zusprechen, der hat ihn damals ins Leben gerufen.“
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Und Schuster ist jetzt wieder da. Wieso ist er gerade in dieser schwierigen Situation der richtige Trainer?
Gorka: „Ich habe vier Jahre mit ihm erlebt. Ich glaube nur er kann jetzt den Spielern wieder das einhauchen, was die Mannschaft braucht. Er kam damals auch mitten in der Saison zu uns und da standen wir punktemäßig ganz schlecht da.
In der Rückrunde gab er uns einen unglaublichen Zusammenhalt. Er hat ein wahnsinniges Fingerspitzengefühl und geht demütig an die Sache ran. Deswegen hat Darmstadt meiner Meinung nach die richtige Entscheidung getroffen.“
Schuster sagte auf der Antritts-PK, der Anruf Darmstadts habe sein „Herz hochspringen“ lassen. Wie schafft er es, diese Identifikation mit dem Verein an die Spieler weiterzugeben?
Gorka: „Damals war es durch die Aktion mit den Bändchen für Johnny. Ich habe eigentlich keinen Trainer kennengelernt, der so eine Menschenkenntnis besitzt wie Schuster. Er wird jetzt viele Einzelgespräche führen, um zu schauen, wie die Spieler ticken. Natürlich hat er auch noch Ansprechpartner wie Dimo Wache oder Aytac Sulu. Gegen Fürth wird er im Sinne des Erfolgs die Mannschaft entsprechend ein- und umstellen.“
Kommen wir zu Ihrer Person. Sie sind seit Sommer vereinslos. Hat sich noch nicht das passende Angebot ergeben oder erwägen Sie auch ein Karriereende?
Gorka: „Ich habe wie bereits gesagt das eine oder andere Angebot abgelehnt, weil bei keinem Verein die Rahmenbedingungen für mich so gepasst haben, wie ich sie in Darmstadt wahrgenommen habe.
Ich trainiere weiterhin jeden Tag im Fitnessstudio und halte mich fit, damit ich schnell einsteigen könnte, wenn etwas Passendes kommt. Sollte sich für mich nichts passendes ergeben, kann ich mir aber auch vorstellen, einen neuen Weg in meinem Leben zu gehen. Deswegen schaue ich mich auch bereits anderweitig um.“
In welche Richtung?
Gorka: „Ich mache im Moment noch mein Sportmanagement-Fernstudium, welches ich im Sommer beende. Das macht mir Spaß und ich kann mir vorstellen, auch nach meiner Karriere in diesem Bereich zu arbeiten.“
Für wie wichtig halten Sie es denn, sich auch während der aktiven Karriere weiterzubilden?
Gorka: „Ich empfinde das als sehr wichtig. Leider wird das in den Profi-Jahren zu sehr vernachlässigt. Es geht einem einfach gut und man verdient seinen Lebensunterhalt mit dem, was einem Spaß macht. Es ist aber nur ein ganz geringer Prozentsatz, der ein Leben lang vom Fußball zehren kann.
Ich sehe es bei mir selbst: Ich finde es schade, dass ich jetzt erst studiert habe. Dabei bin ich einer der wenigen, die vor dem Fußball noch eine Ausbildung gemacht haben, damals zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik.“
Zum Abschluss möchten wir noch auf Jonathan Heimes zusprechen kommen. Seine Geschichte hat auch Sie immer enorm motiviert. Wie schaffen Sie es, sein Vermächtnis im Alltag umzusetzen?
Gorka: „Wie man weiß, stand mir Johnny sehr nahe. Das was er vorgelebt hat, hat er nicht einfach nur gesagt, um etwas ins Leben zu rufen, sondern er hat wirklich dafür gelebt.
Mir fällt in meiner jetzigen Situation schon ab und zu die Decke auf den Kopf, das kann einen schon zermürben. Mein Trikot, das wir für Johnny damals trugen, habe ich zuhause hängen und ich schaue es mir jeden Tag an. Er gibt mir immer noch die Kraft, die ich auch jetzt brauche. Das ist immer noch präsent in meinem Leben und wird mich auch nie wieder verlassen.“
Herr Gorka, vielen Dank für das Interview!
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