Raphael Obermair vom SC Paderborn 07 im Interview: „Bin dankbar für die Erfahrung FC Bayern“
Der Kapitän spricht auch über die Kritik von Trainer Raphael Obermair Paderborn, Hertha BSC, Bayern München, Ancelotti, Thiago, Lukas Kwasniok
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Raphael Obermair, der Kapitän vom SC Paderborn 07, spricht im Interview mit LIGA-ZWEI.de über die bevorstehende Rückrunde, die kritische Rede von Chef-Trainer Lukas Kwasniok und seine zwei aufregenden Jahre beim FC Bayern München.
Herr Obermair, die Rückrunde der 2. Bundesliga steht bevor. Zwischen Tabellenplatz 1 und Tabellenplatz 9 liegen nur fünf Punkte. Ist somit die Hälfte der Zweitligisten als Aufstiegskandidat zu betrachten?
Ja, das gibt die Tabelle so her. Viele Mannschaften können oben noch andocken. Es liegt alles eng beieinander.
Wie definieren Sie mit dem SC Paderborn 07 Ihre Rolle zwischen den vermeintlich großen Vereinen wie dem 1. FC Köln und dem Hamburger SV?
Wir nehmen die Rolle des Jägers ein. Es ist nicht unser erklärtes Ziel, ganz oben zu stehen. Aber natürlich würde sich niemand beschweren, wenn wir am Saisonende doch oben landen. Aber jetzt wollen wir erst einmal gut in die Rückrunde starten.
Sie haben gegen alle 17 Zweitligisten bereits gespielt. Welche Mannschaft schätzen Sie fußballerisch am stärksten ein?
Jede Mannschaft hat ihre Stärken und Schwächen. Es gibt Mannschaften, die ein hohes Pressing spielen und gegen die man sich echt schwertut. Das war zum Beispiel bei Köln meistens der Fall, die sehr schnell umschalten. Nur gegen uns haben sie abwartender gespielt. Unangenehm ist es auch gegen Magdeburg, die mit ihrem Torwart einen elften Feldspieler haben und brutal offensiv spielen. Trotzdem haben wir es hinbekommen, gegen die meisten Mannschaften unser Spiel durchzuziehen. Diese Anpassungsfähigkeit ist unsere große Stärke.
Vor der Winterpause hielt Chef-Trainer Lukas Kwasniok eine viel beachtete Rede und kritisierte die Qualität der Mannschaft. Wie kam das bei den Spielern an?
Wir sind direkt danach in die Winterpause gegangen und konnten ein bisschen abschalten. Nach einer Woche war das in der Mannschaft eigentlich kein Thema mehr. Ich bin schon einige Jahre hier und weiß, dass der Verein Jahr für Jahr eine gute Arbeit leistet. Und wir wissen als Mannschaft, was wir am Trainer haben. Er holt die letzten Prozentpunkte aus uns heraus. Das wissen wir zu schätzen. Genauso weiß auch Lukas, was er an uns hat, weil wir jeden Tag im Training Vollgas geben und seine Vorgaben umsetzen. Schlussendlich wollen wir alle im Club den größtmöglichen Erfolg.
Sonntag treffen Sie auf Hertha BSC. Zum Saisonauftakt gewannen sie gegen die Berliner mit 2:1. Die Hertha hat keines der letzten vier Pflichtspiele gewonnen. Wie schätzen Sie diese Mannschaft ein?
Hertha ist ein großer Name im deutschen Fußball. Sie haben eine enorme Fanbase, daher werden sicherlich viele Fans aus Berlin hierherkommen. Die Mannschaft hat vorne eine besondere Qualität. Fabian Reese ist wieder fit. Ibrahim Maza ist ein genialer Fußballer. Sie haben viele Spieler, die im Eins-gegen-Eins stark sind. Dennoch haben wir das Hinspiel gewonnen. Wir wollen erneut unsere Stärken einbringen.
Themawechsel: Im Gegensatz zu vielen anderen Profispielern waren Sie nie in einem Nachwuchsleistungszentrum eines Profivereins aktiv. Stattdessen verbrachten Sie Ihre Jugendzeit beim TSV 1860 Rosenheim. Ihre ersten beiden Jahre im Herren-Fußball spielten Sie in der Bayernliga. Wurde Ihr Talent vorher nicht erkannt?
Ich war in der Jugend bei größeren Vereinen wie Unterhaching oder 1860 München beim Probetraining. Ich entschied mich gegen Unterhaching, weil für mich damals der Fokus auf der Schule lag. Und für 1860 hatte es nicht gereicht. Natürlich hatte ich gehofft, dass sich eines Tages ein Türchen öffnet.
Dann kam die große Chance doch noch: Im Alter von 20 Jahren wechselten Sie zur 2. Mannschaft des FC Bayern…
Genau. Wenn man so eine Chance bekommt, muss man abliefern. Das ist mir gut gelungen. Danach bin ich Schritt für Schritt meinen Weg gegangen.
Wie groß war beim FC Bayern die Umstellung?
Sehr groß. Bevor ich zum FC Bayern kam, war ich es gewohnt, nur dreimal die Woche zu trainieren. Das war bei Bayern völlig anders. Auch in der 2. Mannschaft wurde unter professionellen Bedingungen gearbeitet. Manchmal wurde zweimal täglich trainiert, hinzu kam das Krafttraining. Rückblickend war es ein Glück, dass ich am Anfang der Saison verletzt war. Dadurch konnte ich mich langsam an die Belastung gewöhnen.
Wie haben Sie sich daraufhin zurechtgefunden?
Fußballerisch konnte ich gut mithalten. Man hat nicht gemerkt, dass ich kein Nachwuchsleistungszentrum besucht habe. Ich habe selbst nicht damit gerechnet, dass ich gleich in meinem ersten Jahr Stammspieler in der 2. Mannschaft bin und sogar bei den Profis mittrainieren darf. Ich war im Winter-Trainingslager in Doha mit dabei. Das Highlight war das Bundesliga-Spiel gegen Bayer Leverkusen, bei dem ich auf der Bank saß. Ich blicke gerne auf diese schöne Zeit zurück.
Sie kamen auch bei einigen Testspielen der Profis des FC Bayern zum Einsatz. Wie haben Sie sich zwischen all diesen Top-Spielern gefühlt? Hatten Sie das Gefühl, dass Sie mithalten können?
Bei den ersten Trainingseinheiten war viel Respekt dabei. Das ist völlig klar, wenn man sich umschaut und neben Robben, Ribery, Lewandowski und Neuer steht. Natürlich waren da auch fußballerische Unterschiede vorhanden. Diese Top-Spieler waren schneller im Kopf, physisch stärker und hatten am Ball eine andere Qualität. Aber ich fand Wege, um dort mitzuschwimmen. Aber natürlich wäre es schwer gewesen, sich im Kader festzuspielen. Hat der FC Bayern auf einer Position einen Engpass, holen sie einen weiteren Weltklasse-Spieler. Trotzdem bin ich sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe.
Welche Spieler des FC Bayern München haben Sie besonders beeindruckt?
Wenn man sich die Ballbehandlung anschaut, würde ich Thiago nennen. Der hat den Ball praktisch gestreichelt. Wenn ich im Training Thiago im Team hatte und nicht genau wusste, wohin mit dem Ball, habe ich einfach versucht, den Ball in seine Richtung zu spielen. Er hat den Ball einfach runtergenommen und mit dem ersten oder zweiten Kontakt weitergespielt. Es war völlig verrückt, was er gemacht hat. Ansonsten war es beeindruckend, welche Dribblings Robben und Ribery hingelegt haben.
Wie haben Sie Carlo Ancelotti als Trainer wahrgenommen?
Ich hatte damals noch nicht das taktische Know-how wie heute. Daher war es für mich schwieriger, seine Arbeit zu beurteilen. Als Trainer legte er viel Wert auf Ballbesitz, baute allerdings auch Umschaltmomente ein. Ansonsten hatte ich den Eindruck, er wollte die Jungs bei Laune halten. Die Trainingsleitung übernahm oft sein Sohn. Carlo gab zwar Anweisungen, hielt sich ansonsten aber im Hintergrund und hat viele Einzelgespräche geführt.
Auch mit jungen Spielern wie Ihnen?
Nein, das war eher der Auftrag von Herrmann Gerland, der damals noch beim FC Bayern war. Aber Carlo Ancelotti ist natürlich ein super Trainer. Ich hätte niemals gedacht, dass ich unter ihm einmal trainieren würde.