„Ich kämpfe, um weiterhin 100% Tom Schütz zu sein“
Interview mit dem Ex-Bielefelder
Mehr als ein Jahrzehnt lang hat sich Tom Schütz um seine Fußball-Zukunft keine Sorgen machen müssen. Spielzeit für Spielzeit konnte er sich sicher sein, dass er gebraucht wird. Seine Verträge wurden stets frühzeitig verlängert, denn seine Trainer schätzten, was sie von ihm erwarten konnten: Viel Spielintelligenz, großer körperlicher und läuferischer Einsatz sowie gewiefte Standards mit hohen Assistpotenzialen.
So ist eine imposante Präsenz auf den Bühnen des Profifußballs zustande gekommen: 268 Einsätze für Arminia Bielefeld, 112 für die U23 des FC Bayern München sowie genau dazwischen 37 Spiele für Babelsberg 03, damals noch verlässlich in der 3. Liga präsent.
Doch nun zeigt sich die Karriere des Musterprofis Tom Schütz drei Wochen vor dem Startschuss in die neue Spielzeit zum ersten Male von ihrer Kehrseite: Denn nach dem Ablauf seines Vertrages nach neun gemeinsamen Jahren mit dem DSC Arminia Bielefeld existiert noch keine sportliche Alternative. Im Gespräch mit Liga-Zwei.de beschreibt Tom Schütz seine völlig ungewohnte Lebenssituation sowie seine Erinnerungen an die immer noch lebendige Ausbildung beim FC Bayern.
Tom Schütz, wie ist Ihnen zumute, sich nun zum ersten Male in Ihrem Leben arbeitslos gemeldet zu haben und somit den administrativen Regeln des Jobcenters Folge leisten zu müssen?
Tom Schütz: „Das ist ein harter Einschnitt in mein Leben aktuell. Da komme auch ich ins Grübeln und es mir jetzt noch einmal deutlich bewusst geworden, wie viel Glück ich gehabt habe all die Jahre.
Eine so stabile Planungssicherheit für mich und meine Familie ist im Profifußball ein großes Glück. Doch dieses Glück ist nun leider im Verbund mit Arminia Bielefeld zunächst einmal aufgebraucht. Es hat eine Zeitlang gebraucht, um damit klarzukommen.“
Was glauben Sie hat die Marktlage für Sie aktuell derart ist Ruckeln gebracht? Warum stecken Sie in dieser Warteschleife?
Schütz: „Die Angst rund um Corona hat die Fußballwelt total verändert. Die wirtschaftlichen Einbußen versuchen die Vereine abzufedern, indem sie die Personalkosten reduzieren, also die Kader möglichst klein halten. So ist in den vergangenen Wochen noch nicht das Richtige für mich dabei gewesen.“
Haben Sie in besonders tristen Momenten schon einmal an einen Abpfiff für die Ewigkeit gedacht?
Schütz: „Ich bin 32 Jahre alt und dies ist ja wahrlich nicht das klassische Alter um aufzuhören. Doch ich gebe zu, dass es eine Zeit gab, in der unruhige Stimmungen aufgekommen sind und ich wirklich froh gewesen bin, dass ich parallel ein Fernstudium für Sportbusiness und Management absolviere und mich auch mit den Möglichkeiten einer sinnvollen Trainerausbildung beschäftige. So bin ich gut aufgestellt in der aktuellen nervigen Warteschleife.“
Und wie halten Sie sich körperlich und fußballerisch wettbewerbsfähig?
Schütz: „In meinem täglichen Pensum von zwei bis drei Stunden fehlt es an nichts – abgesehen von mannschaftlichen Spielformen. Die sind beim besten Willen nicht nachzustellen und somit nicht zu kompensieren. Aber: Unter der Regie eines Personaltrainers gehe ich jeden Tag gezielt an meine körperlichen und mentalen Grenzen. Das schaffe ich, weil ich weiß, dass meine Karriere in großer Gefahr wäre, wenn ich es mir jetzt bequem machen würde. Ich kämpfe, um weiterhin 100 % Tom Schütz zu sein.“
Auf der Alm in Bielefeld haben Sie vor wenigen Monaten Ihren 3. Ligaaufstieg gefeiert. Zuvor ging es zweimal hoch in die 2. Bundesliga. Das sind Ereignisse, die Sie in der Bielefelder Fangemeinde zu einer festen und beliebten Arminia-Größe reifen ließen. Existieren Pläne, die vorsehen dorthin zurückkehren zu können?
Schütz: „Ja, es gibt diese Pläne und sie würden gewiss mit Leben erfüllt werden können, wenn ich meine aktive Laufbahn tatsächlich bereits beenden müsste. Doch damit rechnen wir alle nicht und deshalb sind derartige Überlegungen auch noch nicht konkretisiert worden. Sicher ist: Das Verhältnis zwischen den Arminia-Entscheidern und mir ist völlig unbeschadet.“
Sie sind als Fußballer ausgebildet worden beim FC Bayern in der Säbener Straße. Das ist der Klub, der aktuell so viele Sympathien verbuchen kann wie seit vielen Jahren nicht mehr und in dem Spieler besonders eindrucksvoll punkten können, mit denen Sie einst mehrere Ausbildungsjahre verbracht haben. Was empfinden Sie, wenn Sie sehen, wie viel Glück der Fußball Ihren früheren Weggefährten trotz Corona zu bescheren vermag?
Schütz: „Ich freue mich riesig für Thomas Müller, mit ich ja fünf Jahre lang gemeinsam in einem Team gespielt habe. Und ich freue mich mit David Alaba, dass er jetzt diese Weltkarriere hingelegt hat. Als er 15 war, hat ihn Hermann Gerland schon bei uns in der U23 trainieren und spielen lassen.
Und David hat dieses Vertrauen in sich verankert. Er hat früh begriffen, dass fußballerische Talente nur dann dauerhaft zur Geltung kommen, wenn an diesen besonderen Begabungen auch fleißig gearbeitet wird. Dass Alaba etwas ganz Besonderes verkörpert, war mir schon damals klar.“
Und dann erlebten Sie dort bei den Bayern diese ganz besonderen Trainertypen?
Schütz: „Das stimmt und wenn ich heute so selbstbewusst berichten kann, dass ich die aktuelle persönliche Misere mit großer eigenverantwortlicher Disziplin und mit großer Verlässlichkeit zu bewältigen glaube, dann hat das in hohem Maße zu tun mit meiner Ausbildung bei Hermann Gerland. Was dieser Mann mir auf den Weg gegeben hat, sind Lehren für das ganze Leben. Gerland hat mich geprägt bis heute.“
Tom Schütz, vielen Dank für das Gespräch und möge Ihnen ein neues Aktionsfeld alsbald neues Fußballglück bringen.
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