HSV: Interview mit Marcel Maltritz
"Man hätte eine neue Mannschaft aufbauen müssen."
Marcel Maltritz machte seinen Weg in den Profi-Fußball über die Jugend des 1. FC Magdeburg. Nach zwei Jahren Wolfsburg erlebte er beim Hamburger SV noch die besseren Zeiten mit. Inzwischen ist der frühere Defensivspezialist selbstständig. Vor dem Duell seiner beiden Ex-Klubs haben wir mit dem 40-Jährigen über die Entwicklung beider Vereine, die spielerischen Leistungen in dieser Saison und seine eigenen Pläne gesprochen.
Herr Maltritz, Ihre Karriere starteten Sie beim FC Magdeburg, Ihre erfolgreichste Saison war wohl Platz vier mit dem HSV. Wem wünschen Sie Freitag den Sieg?
Marcel Maltritz: „Eigentlich fiebere ich noch mit beiden Vereinen mit, aber die Magdeburger brauchen die Punkte nötiger. Deswegen drücke ich ihnen die Daumen.“
Was für ein Spiel erwarten Sie?
Maltritz: „Wenn man die letzten Spiele der Magdeburger gesehen hat, dann erwartet man spielerisch eher kein Spektakel. Die Hamburger tun sich wie ich finde auswärts etwas leichter und sind daher schon Favorit.“
Beide haben auch sehr engagierte Fans. Wo haben Sie die bessere Stadion-Atmosphäre erlebt? Magdeburg oder Hamburg?
Maltritz: „In Magdeburg gibt es das neue Stadion erst seit 2006. Ich habe noch in dem uralten Ernst-Grube-Stadion gespielt. Damals gab es zwar auch schon eine gute Fanszene, aber nicht so, wie es jetzt ist. So wie die Stimmung mit den vielen Fans im neuen Stadion ist, muss man eigentlich zu Hause viel mehr Punkte holen.
Das Hamburger Stadion ist für mich eines der schönsten, wenn nicht das schönste in Deutschland. Stimmungsmäßig ist es jedoch in den letzten Jahren mit der sportlichen Leistung ein Stück weit zurückgegangen.“
Beim HSV machten Sie wie gesagt eine der erfolgreicheren Phasen mit. Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass der Erfolg nicht konserviert werden konnte?
Maltritz: „Auch nach meinem Wechsel nach Bochum gab es noch ein paar gute Jahre mit den Halbfinals im Uefa-Cup und im DFB-Pokal gegen Werder Bremen, als man viele gute Transfers und eine gute homogene Mannschaft hatte.
Aber man muss ja nur schauen, wie viele Trainer, Manager und Vorstände in den letzten zehn Jahren da waren. Dass das nicht gut ist für eine Entwicklung, ist jedem klar. Es wurde einfach zu viel Personal gewechselt, um eine Mannschaft kontinuierlich aufzubauen.“
Sie erlebten aber auch drei Trainer: Frank Pagelsdorf, Kurt Jara und Klaus Toppmöller.
Maltritz: „Zwischenzeitlich war auch Holger Hieronymus noch einen Spieltag da!“
Warum konnten sich die Trainer nie länger halten?
Maltritz: „Zum einen liegt es an den angesprochenen Wechseln auf der Führungsebene. Dazu ist Hamburg eine Medien-Stadt, in der viel Druck entsteht und eine hohe Erwartungshaltung herrscht. Es wird immer noch von Deutschen Meisterschaften und Europapokal-Erfolgen gesprochen.
Man will den HSV da unbedingt wieder hin hieven. Dann war der HSV immer noch der letzte Dino in der ersten Liga. Das ist jetzt auch vorbei und vielleicht ist ganz gut, sich davon mal freizumachen.“
Viele hatten gehofft, der Abstieg könnte eine Chance für den HSV sein. Jetzt gab es schon wieder einen Trainerwechsel. Chance vertan?
Maltritz: „Wenn man die Mannschaft vor allem zu Hause in den letzten Spielen gesehen hat, war das vielleicht nicht beängstigend, aber schon schwach. Wenn man zweimal zu Hause hoch verliert, selbst keine Tore schießt, ist das einfach viel zu wenig für die eigenen Ansprüche und für das, was in die Mannschaft investiert wurde.
Ich glaube, dass man nach dem Abstieg eine neue Mannschaft hätte aufbauen müssen. Es gibt zu wenig Häuptlinge, die das Heft in die Hand nehmen und alles für den HSV geben wollen.Im Nachhinein weiß man natürlich alles besser, aber ich glaube, es hätte schon gut getan, der Mannschaft ein neues Gesicht zu geben. Die spielerischen Leistungen sprechen ja für sich.“
Die Kritik am Spielstil von Christian Titz wurde immer lauter. Als Kenner der 1. und 2. Bundesliga: Warum ist es mit seinem Aufbau-Spiel von hinten heraus im Unterhaus schwieriger, erfolgreich zu sein?
Maltritz: „Gerade in der zweiten Liga können alle Mannschaften gut verteidigen, sogar bis runter in die 3. Liga und Regionalliga. Dagegen effektive Lösungen zu finden, die Mannschaftsteile auseinander zu spielen, ist dem HSV nicht gelungen.
Da wird zurecht eine gewisse Schnelligkeit bemängelt, nach vorne fehlt etwas Kreatives. Alles ist leicht auszurechnen. Das hat wahrscheinlich letztlich den Ausschlag gegeben, dass jetzt der Trainer gewechselt wurde. Man kann sagen: Alles läuft wie gehabt weiter beim HSV.
Aus der Ferne ist es schwer für mich zu beurteilen, was anders hätte gemacht werden sollen. Der Trainer hat die Spieler schließlich jeden Tag vor sich. Ich kann das beurteilen, was man in den Spielen sieht, und das war einfach viel zu wenig.“
Auf den Gegner bezogen: Was kann der FCM mit seinem kampfbetonteren Stil in der 2. Bundesliga erreichen?
Maltritz: „Das Kämpferische gehört zu den Grundvoraussetzungen. Ich persönlich sehe Parallelen zum HSV: Nach vorne sind die Magdeburger auch schwach. Nur auf Standardsituationen zu setzen, irgendwie aus Eckbällen oder Freistößen mal ein Tor zu machen, das ist mir zu einfach.
Sie werden es verdammt schwer haben, in der Liga zu bleiben. Ein bisschen mehr spielerische Stärke hätte ich mir da schon gewünscht. Es ist schwierig, aber in Paderborn zum Beispiel kann man ja auch mehr spielerische Klasse sehen als in Magdeburg.“
Beim FCM machten Sie 1997 den Aufstieg in die Regionalliga mit. Inwieweit kann man die Euphorie damals mit heute vergleichen? Es kamen in der Oberliga ja teils auch 10.000 Zuschauer.
Maltritz: „Zu den letzten Spielen damals kamen schon viele Zuschauer, aber jetzt sind sie zum ersten Mal so richtig im bezahlten Fußball. Immer, wenn es in den letzten Jahren darum ging, reinzukommen, ob es die neue Einteilung der zweiten Liga oder der dritten Liga war, hat man es nicht geschafft, reinzurutschen.
Jetzt haben sie es endlich mal geschafft, nachdem es zweimal knapp war. Es ist eine riesen Euphorie in der Stadt zu merken, auswärts oder zu Hause. Von dieser Euphorie müsste sich die Mannschaft viel mehr tragen lassen, um vor allem die Heimspiele für sich zu entscheiden. Das fehlt mir ein Stück weit.“
Wie haben Sie die Entwicklung nach Ihrem Weggang verfolgt?
Maltritz: „Ich telefoniere ab und zu mit Maik Franz. Vor dem Stadionneubau war es turbulent: Insolvenz, Zwangsabstieg. Der FCM war ein kleiner Skandal-Verein. In den letzten Jahren ist dort wirklich gut gearbeitet worden, man hat sich den Aufstieg verdient. Aber ich glaube es gibt nichts Schlimmeres, als nach dem Aufstieg direkt wieder abzusteigen.
Die finanziellen Möglichkeiten, die man in der zweiten Liga hat, sind proportional sehr viel größer als in der 3. Liga. Deshalb wäre ein Abstieg ein Stück weit ein GAU. Sie müssen gucken, dass sie irgendwie drei Mannschaften hinter sich lassen.“
Ihr Werdegang ist durchaus mit dem von Maik Franz vergleichbar, aktuell sind Sie im Firmen-Management. Warum sehen wir Sie nicht bei einem Fußball-Klub?
Maltritz: „Ich habe beim VfL Bochum noch drei Jahre gearbeitet und habe mir in einem Trainee-Programm alles angeguckt. Im letzten Jahr habe ich aus verschiedenen Gründen gesagt, dass ich aufhöre beim VfL und habe mich selbstständig gemacht.
Den Fußball werde ich nicht aufgeben, aber die Stellen auf der Management-Ebene sind nun einmal rar gesät. Das muss dann auch irgendwie passen. Ich warte ab, was die Zukunft bringt. Ich bin jetzt aber keiner, der sich auf die Tribüne setzt, wenn irgendwo einer wackelt.“
Erzählen Sie uns doch etwas über Ihr aktuelles Projekt.
Maltritz: „Ich möchte in Bochum eine Padel-Tennis-Anlage eröffnen. Die Sportart wächst überall in Europa und kommt eigentlich aus Spanien. Damit kann sich Deutschland nicht messen, aber mit Holland und Belgien schon. In Deutschland sind allerdings die behördlichen Vorschriften wesentlich strenger.
Ich denke trotzdem, die Sportart ist auch etwas für den deutschen Markt. Sie macht Spaß und ist sehr leicht zu erlernen im Vergleich zu Tennis. Noch steckt sie hierzulande in den Anfängen. Das möchte ich ändern und die Sportart populärer machen.“
Herr Maltritz, vielen Dank für das Interview!
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