Holstein Kiel vs VfL Bochum: Interview mit Karsten Neitzel
Ich weiß, wozu die Spieler der KSV in der Lage sind
Karsten Neitzel stand bereits für den VfL Bochum und Holstein Kiel an der Seitenlinie und hat dabei einiges erlebt. Vor dem direkten Aufeinandertreffen seiner beiden Ex-Klubs am Samstag spricht er mit Liga-Zwei.de über die Erfolgsfaktoren bei der KSV, die Aufstiegschancen des VfL und seine Ziele bei seinem derzeitigen Verein SV Elversberg.
Herr Neitzel, Sie haben einen Großteil der aktuellen Kieler Mannschaft trainiert. Wie viel Karsten Neitzel steckt noch in der KSV?
Karsten Neitzel: „Das ist schwer zu sagen. Bei den Transfers, die wir im Sommer 2016 durchgeführt haben, war ich als Trainer natürlich immer beteiligt. Auf jeden Fall ist es aus meiner Sicht immer von Vorteil, dass der Kern einer Mannschaft mehr als zwei Jahre zusammenspielt und kein großer Umbruch stattfindet, sondern ein Ergänzen und Verstärken.
Diese Phase ist in Kiel gerade gegeben und das ist aus meiner Sicht einer der Gründe, weshalb die Ergebnisse gerade so gut sind.“
Unmittelbar nach dem Aufstieg rief Dominick Drexler „Kalle, das ist auch für Dich“. Wie viel Kontakt haben Sie noch zu Drexler und Co.?
Neitzel: „Der Kontakt ist nur noch sehr sporadisch. Der ein oder andere Spieler ruft immer noch mal an und das finde ich auch sehr sympathisch. Bei Dominick Drexler war es so, dass ich ihn schon 2013 nach Bochum holen wollte.
Das hat nicht funktioniert. Seitdem waren wir in regelmäßigem Kontakt. Zumindest habe ich ihn immer wieder angerufen, wenn das Transferfenster geöffnet war.“
Was macht die Störche aktuell so stark?
Neitzel: „Das ist für mich aus der Ferne schwer zu beurteilen. Es gibt aber nur noch wenige Vereine, von denen man sagen kann, dass es dort familiär zugeht. In Kiel ist das jedoch der Fall. Da gibt es nicht die ganz großen Entscheidungswege und wenig Entscheidungsträger. Dadurch bleiben Missverständnisse aus.
Der Sponsorenpool hinter dem Verein hat viel Substanz, weil er schon in der vierten Liga dabei war. Außerdem machen die sportlich Verantwortlichen einen guten Job. Bei den Spielern weiß ich, wozu sie in der Lage sind. Solange sie das abrufen, werden sie nicht das letzte Mal ein Spiel in der zweiten Liga gewonnen haben.“
Während Ihrer Zeit in Kiel trainierte Hannes Drews die U17. Konnte man damals schon sehen, dass dort ein Trainer-Talent heranwächst?
Neitzel: „Zu meiner Zeit in Kiel hatten wir immer einen regen Austausch im Trainerbüro, also mit den Coaches der A-Jugend, B-Jugend und der zweiten Mannschaft. Außer Hannes gab es da noch Ole Werner und Finn Jaensch zum Beispiel.
Die Jungs sind offen, haben ihre eigenen Ideen, engagieren sich. Hätte ich vor drei Wochen sagen müssen, wer von den Dreien irgendwo Trainer im bezahlten Fußball wird, hätte ich mich da nicht festgelegt. Dass Hannes nun in Aue Trainer wurde, verfolgt man und es freut mich natürlich.“
Vor Ihrer Zeit an der Förde waren Sie beim VfL Bochum tätig. Wie sehr verfolgen Sie noch das Geschehen an der Castroper Straße?
Neitzel: „Sehr, weil ich meinen Hauptwohnsitz in Bochum habe. Ich war das ein oder andere Mal im Stadion und man bekommt ja auch viel über die Medien mit. Auch auf das Stimmungsbild in der Stadt hat der VfL einen großen Einfluss. Ich bin nicht zu 100% im Thema „VfL“ drin, verfolge das Geschehen im Verein logischerweise aber mehr als andere.“
Pavel Drsek sagte jüngst im Liga-Zwei.de-Interview, dass die Erwartungshaltung in Bochum zu hoch sei. Können Sie das bestätigen?
Neitzel: „Dass die Erwartungshaltung in Bochum hoch ist, liegt natürlich an der jahrelangen Erstliga-Zugehörigkeit des VfL. Trotzdem können sich viele Fans und Sponsoren durchaus mit der zweiten Liga identifizieren.
Es gab in der Vergangenheit beim VfL immer wieder Phasen, in denen es gut und flüssig lief, und in denen man den Eindruck hatte, dass man wieder an der Erstliga-Tür kratzen könnte.
Trotzdem sollte man die Dinge realistisch einschätzen. Der VfL kann aus meiner Sicht immer eine gute Rolle in der zweiten Liga spielen, und wenn viele Dinge zusammenpassen auch ein Aufstiegskandidat sein.“
Wie schwer ist es für Ismail Atalan – auch unter der Zielvorgabe Aufstieg – in Bochum erfolgreich zu arbeiten?
Neitzel: „Ich denke, Ismail wusste genau, worauf er sich in Bochum einlässt. Ich persönlich kenne seine Art Fußball spielen zu lassen aus seiner Zeit in Lotte. Dort hat er einen sehr guten Job gemacht. Viele Dinge von dort wird er mit Sicherheit auch beim VfL einfließen lassen.
Dass so ein Prozess Zeit braucht, liegt in der Natur der Sache. Diese Zeit bekommt man oft nicht, in Bochum wird man allerdings nicht ganz so schnell unruhig. Außerdem sind es manchmal nur Nuancen, die über Sieg und Niederlage entscheiden.
Deswegen ist es wichtig, dass man in einem Verein auf vielen Ebenen Konstanz walten lässt. Wenn einzelne Spieler und damit automatisch auch die gesamte Mannschaft konstant ihre Leistungen abrufen, was schließlich die große Kunst im Fußball ist, dann sehe ich den VfL auch in dieser Saison schon sehr weit vorne in der Tabelle.“
Am Samstag treffen die KSV und der VfL direkt aufeinander. Wen sehen Sie vorne?
Neitzel: „Das ist ganz schwer zu sagen. Beide Mannschaften haben in dieser Saison schon furiose Spiele geboten. Ich tippe auf ein charmantes 2:2.“
Seit Sommer trainieren Sie den Regionalligisten Elversberg. Wie sehen Sie die sportliche Perspektive bei der SVE?
Neitzel: „Für mich ist am Wichtigsten, dass ich mich an meinem Arbeitsplatz wohl fühle. Das ist hier in Elversberg absolut gegeben. Das Ziel des Vereins ist es, schnellstmöglich die Liga nach oben zu verlassen, und dafür sehe ich hier sehr gute Voraussetzungen.
Dass ein Aufstieg aus der Regionalliga in die dritte Liga einer der schwierigsten überhaupt ist, muss ich hier nicht unbedingt noch mal erwähnen.“
Gibt es Gemeinsamkeiten zu Ihrer Zeit bei Holstein Kiel?
Neitzel: „Ob man in den Regionalliga-Zeiten beider Vereine Parallelen sehen kann, kann ich nicht beurteilen. Wenn aber der Aufstieg in die dritte Liga gelingt, könnte ich mir vorstellen, dass man die ein oder andere Parallele zu Holstein Kiel ziehen könnte.“
Mit Offenbach, Mannheim und Saarbrücken gibt es in der Regionalliga Südwest starke Konkurrenz. Wie realistisch ist ein Aufstieg 2018?
Neitzel: „Wir sind ziemlich schleppend in die Saison gestartet, haben uns jetzt aber stabilisiert und aus den letzten fünf Spielen 13 Punkte geholt. Wir wollten vor der Saison um die vorderen Plätze mitspielen und das ist auch jetzt noch unser Ziel.
Wir können allerdings nur unsere eigene Leistung beeinflussen. Wir wollen die Mannschaft durch eine gute Vorbereitung und Nachbereitung auf die jeweilige Partie gut in Schuss haben. Dadurch wollen wir mehr Punkte einfahren, als zu Beginn der Saison.
Im Fußball geht es nun mal um Ergebnisse, also müssen wir dafür sorgen, dass diese stimmen. Wir wollen den kleinen Lauf, den wir begonnen haben, auch in den nächsten Spielen fortsetzen und pflegen.“
Herr Neitzel, vielen Dank für das Interview!
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