Holstein Kiel: Interview mit Dominick Drexler
"Ich habe das Spiel erst über die Jahre besser verstanden"
Holstein Kiel ist die Überraschungsmannschaft der 2. Bundesliga. Der Aufsteiger geht als Tabellenzweiter in das Pflichtspiel-Jahr 2018. Einen großen Anteil daran hat Dominick Drexler. Der Mittelfeldspieler ist mit acht Toren mannschaftsintern der zweitbeste Torjäger hinter Marvin Ducksch, hat zudem sechs Treffer vorbereitet. Vor dem Top-Spiel gegen Union Berlin (Dienstag, 20:30 Uhr) spricht der 27-Jährige über den Aufschwung von Holstein, aber auch seine Vergangenheit bei Bayer Leverkusen und Wechselgerüchte aus England.
Herr Drexler, wie ist es möglich, dass Holstein Kiel als Aufsteiger nun als Tabellenzweiter in das neue Jahr geht?
Dominick Drexler: „Wir haben einfach ein gutes Spielsystem, können spielerisch dominieren, sind aufgrund der letzten eineinhalb Jahre sehr eingespielt und haben die individuelle Klasse, mit der wir Spiele vorne wie auch hinten entscheiden können.“
Der Auftakt in das Pflichtspieljahr 2018 gegen Union Berlin birgt allerdings eine besondere Herausforderung, weil gleich drei Stammspieler gelbgesperrt fehlen. Inwiefern gestaltet sich die Aufgabe dadurch schwieriger?
Drexler: „Da es sich um beide Innenverteidiger handelt, ist die Situation natürlich etwas speziell. Aber wir haben einen guten Kader. Nun können andere Spieler ihre Chance nutzen. Das ist sicherlich kein Vorteil, aber auch kein riesiger Nachteil. Es ist das erste Pflichtspiel des Jahres, dann noch unter Flutlicht und gegen Union Berlin – da muss man sich reinkämpfen.“
In der Hinrunde war die Erwartungshaltung an Holstein Kiel eher gering. Nun stehen sie auf Tabellenplatz 2 und haben mehr zu verlieren als zu gewinnen. Wird die Rückrunde mental dadurch schwieriger?
Drexler: „Ich denke nicht. Vor einem halben Jahr wussten wir noch gar nicht, ob wir in der 2. Bundesliga überhaupt bestehen können. Nun gehen wir mit einem guten Gefühl in die Rückrunde. Der Trainer hat uns von Anfang an vermittelt, dass wir rausgehen, um etwas zu gewinnen, nicht um irgendetwas zu verhindern. Diese Devise gilt auch für die Rückrunde.“
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Vor ziemlich genau einem Jahr haben Sie in einem Interview gesagt: „Wer als Spieler nicht den Wunsch hat aufzusteigen, wäre hier verkehrt.“ Gilt dieses Statement aus Drittliga-Zeiten nun auch als Zweitligist?
Drexler: „Das ist, denke ich, für jeden Fußballer ein treffendes Zitat. Jeder Spieler, völlig unabhängig vom Verein und der Liga, möchte bestmöglich spielen und jedes Spiel gewinnen. Und genau darauf konzentrieren wir uns: auf immer das nächste Spiel.“
Würden Sie den Relegationsplatz Stand heute unterschreiben?
Drexler: „Wir tun gut daran, uns einfach nur auf den Rückrundenstart zu konzentrieren. Sicherlich wird es zwei oder drei Mannschaften geben, die demnächst einen Lauf starten. Aber es bringt nichts, auf die anderen zu schauen. Das einzige, was wir beeinflussen können, ist allein unser Spiel.“
Im vergangenen Jahr trafen in der Relegation mit Wolfsburg und Braunschweig zwei benachbarte Nordvereine aufeinander. Eine ähnliche Konstellation könnte sich diesmal mit dem Hamburger SV und Holstein Kiel ergeben. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?
Drexler: „Nein, wie schon gesagt, schauen wir nicht darauf, was vielleicht in einigen Monaten passieren könnte, sondern konzentrieren uns nur auf die nächste Aufgabe.“
Ist der Relegationsplatz in dieser Saison besonders undankbar, weil es in der Bundesliga momentan keine „kleinen“ Vereine gibt?
Drexler: „Die Relegation ist für den Zweitligisten immer schwierig. In der Vergangenheit hat sich fast immer der Bundesligist durchgesetzt, weil der Qualitätsunterschied über zwei Spiele meist zum Tragen kommt.“
Als Markus Anfang Ende August 2016 das Traineramt bei Holstein Kiel übernahm, hatte die Mannschaft gerade einen mäßigen Saisonstart in der 3. Liga hingelegt. Eineinhalb Jahre später ist der Verein eine Spitzenmannschaft der 2. Bundesliga. Wie hat der Trainer das hinbekommen?
Drexler: „Er kam während der Saison. Daher musste er uns während der Hinrunde sein Spielsystem und seine Idee vom Fußball vermitteln. So begann in der Hinrunde langsam ein Prozess in der Mannschaft. Aber erst in der Wintervorbereitung konnten wir seine Philosophie verinnerlichen. Das Ergebnis ist, dass wir im gesamten Jahr 2017 kaum Spiele verloren haben…“
… Ligaübergreifend waren es fünf Niederlagen.
Drexler: „Das spricht für das System des Trainers. Selbst wenn es einmal Rückschläge gab, hat uns das nicht aus der Bahn geworfen. Markus Anfang und der Co-Trainer Tom Cichon haben einen großen Anteil an unserem Erfolg.“
Im Winter kamen Gerüchte auf, Markus Anfang könnte ein Kandidat für den 1. FC Köln sein. Inwiefern war das innerhalb der Mannschaft ein Thema?
Drexler: „Markus Anfang hat das Thema intern nie angesprochen. Er gab uns ohnehin nicht das Gefühl, den Verein verlassen zu wollen. Daher war das Thema bei uns nicht so akut. Aber zugegeben: Ich war schon froh, als ich gelesen hatte, dass Stefan Ruthenbeck Cheftrainer in Köln bleibt. Somit war das Thema vom Tisch.“
Sie stammen aus der Jugend von Bayer 04 Leverkusen, haben dort auch bei den Profis gemeinsam mit Spielern wie Toni Kroos und Arturo Vidal trainiert. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung behalten?
Drexler: „Auch wenn ich für Bayer Leverkusen nie ein Bundesligaspiel bestritten habe, konnte ich damals viel lernen. Toni Kroos ist zwar genauso alt wie ich, war damals aber schon viel weiter. Ich muss zugeben, dass die Trauben für mich damals noch zu hoch hingen. Aber die Erinnerungen an diese Zeit sind für mich ein zusätzlicher Anreiz, immer alles zu geben.“
Hätten Sie heute das Niveau, um bei so einer Top-Mannschaft mitzuhalten?
Drexler: „Das ist schwer zu sagen. Als Jugendspieler musste ich im Training sämtliche Positionen einnehmen – selbst wenn diese mir nicht lagen. Das war nicht einfach. Zudem habe ich das Spiel erst über die Jahre besser verstanden. Wann muss ich den Ball sichern? Wann muss ich passen? Wann muss ich dribbeln? Manche treffen bereits mit 19 Jahren die richtige Entscheidung. Ich habe etwas länger gebraucht.“
Das ist auch anderen Vereinen nicht entgangen. In der Winterpause gab es Gerüchte, die englischen Zweitligisten Aston Villa und Cardiff City wären an Ihnen interessiert. War das eine Zeitungsente oder die Wahrheit?
Drexler: „Ich hatte nie das Bedürfnis, den Verein zu verlassen. Dass nach so einer Hinrunde der Trainer und einige Spieler in den Fokus geraten, ist völlig normal. Ich kann nicht sagen, was im Sommer passieren wird. Aber jetzt war ein Vereinswechsel kein Thema für mich.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Drexler!
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