Greuther Fürth: Interview mit Mergim Mavraj
"Die Vereine machen sich das zu einfach"
Mergim Mavraj hat mit der SpVgg Greuther Fürth einen erfolgreichen Saisonstart hingelegt und tritt am Samstag beim VfL Bochum an. Im Interview mit Liga-Zwei.de spricht der Innenverteidiger nicht nur über seine Mannschaft, sondern auch über Corona, über das Verhältnis zwischen Spielern und Vereinen, über Missmanagement und über öffentliche Anerkennung.
Herr Mavraj, mit den zwei deutlichen Siegen gegen die hoch eingeschätzten Mannschaften von Holstein Kiel und Hannover 96 ist die SpVgg Greuther Fürth an die vorderen Tabellenplätze herangerückt. Entwickelt sich Ihre Mannschaft zum Geheimfavoriten?
Mergim Mavraj: „Es ist immer etwas Besonderes, gegen Favoriten zu gewinnen. Da ist man vor den Spielen automatisch noch ein bisschen motivierter. Für uns ist das besonders schön, weil wir immer so ein bisschen der Underdog und die graue Maus sind. Wir sind immer ‚die kleine SpVgg Greuther Fürth‘. Man sagt uns auch gerne nach, dass wir zwar einen schönen Fußball spielen, aber in Schönheit sterben. Von daher war das eine gute Antwort der Mannschaft.“
Bereits beim 0:1 gegen den Hamburger SV und beim 1:1 gegen den VfL Osnabrück trat Ihre Mannschaft sehr dominant auf, konnte sich aber nicht mit einem Sieg belohnen. Was macht Greuther Fürth in dieser Saison so stark?
Mavraj: „Wir sind eingespielt. Der Trainer (Stefan Leitl, Anm.d.Red.) ist bereits seit knapp zwei Jahren bei uns und hat uns seine Philosophie eingeimpft. Mit jeder Vorbereitung und jedem Spiel wird das mehr und mehr zu unserer Identität. Die Automatismen klappen immer besser. Dadurch fällt es auch gar nicht groß auf, wenn der eine oder andere Spieler einmal ausfällt.“
Wie groß ist die Erleichterung, mit dem 4:1 gegen Hannover 96 den Heim-Fluch durchbrochen und erstmals seit dem 29. Februar wieder im eigenen Stadion gewonnen zu haben?
Mavraj: „Das war überhaupt kein Thema bei uns. In den sechs Monaten gab es so viele Dinge, die in unseren Köpfen waren und die man beachten musste. Da spielte die Heim-Bilanz keine Rolle. Natürlich ist es immer schön, zu Hause zu gewinnen. Für viele Mannschaften war es anfangs schwierig, aufgrund von Corona im eigenen Stadion zu spielen, aber keine Fans im Rücken zu haben. Es gab Spieltage, an denen kaum eine Heimmannschaft ihr Spiel gewann.“
In November werden alle Spiele ohne Zuschauer ausgetragen. Spielt es da überhaupt eine Rolle, ob man daheim oder auswärts spielt?
Mavraj: „Es ist trotzdem schöner, zu Hause zu spielen. Man kennt das Spielfeld, man kennt das Stadion und hat keine lange Anfahrt.“
Sie sind 34 Jahre alt und befinden sich in Ihrem letzten Vertragsjahr. Haben Sie Angst, nie wieder in ein richtig volles Stadion einzulaufen?
Mavraj: „Nein, ich werde so schnell nicht aufhören. Ich denke, wenn man sich meine Leistungen derzeit anschaut, werden die Fans mich noch ein paar Mal im Stadion zu sehen bekommen.“
Die Infektionszahlen sind in den letzten Wochen stark angestiegen. Wie schützen Sie sich und somit auch Ihren Verein vor Infektionen?
Mavraj: „Jeder steht in der sozialen Verantwortung. Ob jemand nun Fußballspieler ist oder nicht: Ab einem gewissen Alter hat man eine Vorbildfunktion. Andere Menschen, ob nun die Nachbarn oder Familienmitglieder, schauen zu einem hoch.
Innerhalb eines Fußballteams ist es natürlich so, dass ein 34-Jähriger damit anders umgeht als ein 20-Jähriger, der die Situation noch nicht richtig einordnen kann. Dann gehört es dazu, diesen jungen Spielern Ratschläge zu geben und zu einem besseren Lebensstil anzuregen. Aber…“
Ja?
Mavraj: „Aber andererseits hat in einer Demokratie jeder Mensch das Recht, eine andere Meinung und einen anderen Lebensstil zu haben. Daher ist es unfassbar schwierig, eine Richtlinie für alle zu finden. Manche Menschen nehmen es in Kauf, möglicherweise krank zu werden oder jemanden anzustecken.
Hauptsache sie können in der Öffentlichkeit ihren Kaffee trinken. In meinem Fall ist es so, dass ich kein Risiko für jene Menschen sein möchte, die gefährdet sein könnten. Dafür verzichte ich auf meine üblichen Gewohnheiten.“
Zurück zum Sportlichen: Samstag wartet mit dem Auswärtsspiel beim Tabellen-Zweiten VfL Bochum erneut ein Top-Gegner. Wie schätzen Sie den VfL, für den Sie selbst zwischen 2007 und 2011 gespielt haben, ein?
Mavraj: „Bochum ist ein sehr geiler Verein, einer meiner Lieblingsvereine in Deutschland. Der VfL hat so viel Tradition und eine unfassbare Fanbase. Sie spielen bereits seit der Corona-Pause einen sehr attraktiven und erfolgreichen Fußball. Sie stehen da, wo sie hingehören. Meiner Meinung nach muss der VfL Bochum immer ein Aufstiegsaspirant sein.“
Ein weiterer Ihrer Ex-Vereine aus der 2. Bundesliga ist der Hamburger SV, der momentan auf dem 1. Tabellenplatz steht. Glauben Sie, dass der HSV im dritten Anlauf den Aufstieg schafft?
Mavraj: „Ja, in diesem Jahr schaffen sie es. Die Liga ist diesmal nicht ganz so stark. Zudem haben sie einen anderen Spielstil. Auch der Letzte hat dort kapiert, dass es nur über das Team geht. Das ist in der 2. Liga das Wichtigste. Der Trainer verkörpert das.“
Sie haben anfangs gesagt, dass man als SpVgg Greuther Fürth immer ein wenig unterschätzt wird. Sie kennen auch das Gegenteil und wurden als Spieler des 1. FC Köln und des Hamburger SV immer mit hohen Erwartungshaltungen konfrontiert. Inwiefern wirkt sich das auf einen Spieler aus?
Mavraj: „Das ist immer sehr individuell. Auch die SpVgg Greuther Fürth blickt auf einige schwere Jahre zurück. Oft wurde der Klassenerhalt erst spät perfekt gemacht. Ein Missmanagement, egal in welchem Verein, ist überall fatal und hat schwere Folgen. Das ist in Hamburg genauso wie bei vielen anderen Vereinen.“
Was genau meinen Sie mit einem Missmanagement?
Mavraj: „Wenn man sich jedes Jahr im Abstiegskampf befindet, braucht man nicht ständig 19-jährige Spieler hineinzuwerfen. Möchte man hingegen dynamisch und attraktiv spielen, so wie zum Beispiel hier in Fürth, kannst Du nicht fünf 34-Jährige in der Startelf haben. Man muss das Personal darauf ausrichten, wie die Mannschaft spielen soll.
Hast du für die jeweilige Situation die falschen Spieler, wird das zur Last. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Natürlich ist der Druck größer, wenn man im Abstiegskampf vor 50.000 Zuschauer in Hamburg spielt als vor 15.000 in Fürth. Aber die Sorgen und die Ängste sind die gleichen.“
Der Hamburger SV war Ihr letzter Verein in der Bundesliga. Können Sie sich rückblickend erklären, warum Sie nach 31 Bundesligaspielen und als stellvertretender Kapitän plötzlich unter dem damals neuen Trainer Christian Titz keine Rolle mehr gespielt haben?
Mavraj: „Nach einem Trainerwechsel gibt es in vielen Vereinen so eine Art ‚Königsmord‘. Es wird also ein Spieler geopfert, der in der Mannschaft viel zu sagen hat, der eine Persönlichkeit ist und vorneweg marschiert. Einige Trainer haben Angst vor solch einer Persönlichkeit. Daher trifft es einen Starken. In diesem Fall traf es eben mich.
Ich bin aber nicht nachtragend. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch. Wenn der Chef da oben das für mich bestimmt hat, nehme ich das sehr dankend an. Es ist trotzdem ein bisschen traurig, weil ich glaube, dass wir den Klassenerhalt hätten schaffen können, wenn es nicht die Nebenschauplätze gegeben hätte.“
Spieler, die plötzlich aussortiert werden, sind längst keine Einzelfälle mehr. Werden Vereine Ihrer Verantwortung als Arbeitgeber oftmals nicht gerecht?
Mavraj: „Unterm Strich sollte es immer um den Menschen gehen. Wenn ein Vorstand, der 55 Jahre alt ist, einen 25-jährigen Spieler vor die Tür setzt, der plötzlich nicht mehr gut genug sein soll, vorher aber noch die Kohlen aus dem Feuer geholt hat, kommt er seiner Verantwortung als Mensch nicht nach. Das ist ein Unding. Wenn ein Spieler zwei Jahre gut genug war und plötzlich vor die Tür gesetzt wird, ist das doch das selbe Fehlverhalten, wie wenn ein Ousmane Dembélé streikt, weil er den Verein verlassen möchte.“
Ein guter Vergleich…
Mavraj: „Die Vereine machen sich das zu einfach, wenn sie bestimmte Spieler aussortieren und an den Pranger stellen. Für die Fans wirkt es dann so, als wäre derjenige verantwortlich für den sportlichen Niedergang. Hinzu kommt, dass man dadurch Geld verbrennt. Schließlich hat der Spieler Geld gekostet und steht vielleicht noch länger unter Vertrag.“
Nicht nur Vereine, sondern auch Fans wechseln teilweise schnell Ihre Gefühlslage gegenüber Spielern. Von Ihnen stammt die Aussage „Man wird nur geliebt, wenn man Leistung bringt.“ Sind Ihnen einige Fußall-Anhänger zu wankelmütig?
Mavraj: „Nein, das ist auch überhaupt kein Vorwurf an die Fans. Das ist in vielen Bereichen so. Die Frau liebt dich auch nur, wenn du auf sie hörst (lacht). Wenn du im Sport, oder auch im Musikbusiness und anderen Branchen, funktionierst, bekommst Du Anerkennung und Ruhm. Sobald du nicht funktionierst, bist du uninteressant. Das ist nicht nur im Fußball, sondern in der gesamten Gesellschaft so.
Hat jemand bei instagram nur wenig Likes, interessiert sich niemand für ihn. Die Menschen interessieren sich für denjenigen, der zwei Tore geschossen, ein neues Bild gepostet hat und die neuesten Schuhe trägt. Das ist der Lauf der Dinge. Entweder du machst mit oder du bist nicht für dieses Business gemacht.“
Herr Mavraj, vielen Dank für das Interview!
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