Erzgebirge Aue: Interview mit Steve Breitkreuz
Es geht ein positiver Ruck durch Aue
Der FC Erzgebirge Aue ist momentan die Mannschaft der Stunde. In den vergangenen sechs Spielen holte der Verein 14 Punkte und rückte auf einen Nicht-Abstiegsplatz vor. Steve Breitkreuz hat großen Anteil daran. Der Innenverteidiger stand in allen bisherigen Saisonspielen die kompletten 90 Minuten auf dem Platz.
Der 25-Jährige zählt längst zu den begehrtesten Defensivspielern der Liga. Bundesliga-Absteiger Hannover 96 war vor Saisonbeginn an einer Verpflichtung interessiert. Im exklusiven Interview mit Liga-Zwei.de spricht der Breitkreuz über den Aufschwung unter Trainer Domenico Tedesco, das Interesse anderer Vereine und seine Vergangenheit bei Hertha BSC.
Herr Breitkreuz, der FC Erzgebirge Aue ist seit sechs Spielen ungeschlagen, hat vier dieser Partien gewonnen. Wie ist dieser Aufschwung zu erklären?
Steve Breitkreuz: „Nach dem Rücktritt von unserem Trainer Pavel Dotchev mussten wir alle noch enger zusammenrücken. Dann kam auch schon das Spiel gegen Arminia Bielefeld, das unter unseren Interimstrainern bestritten wurde. Wir lagen nach fünf Minuten bereits mit 0:2 hinten und haben letztendlich einen Punkt geholt.
Da war bereits die positive Entwicklung festzustellen, die uns in der Folgezeit echt zusammengeschweißt hat. Und dann kam unser neuer Chefcoach Domenico Tedesco. Er ist ein echter Glücksfall und hat eine klare Philosophie.“
Domenico Tedesco ist mit seinen 31 Jahren ein sehr junger Trainer. Ist er der Julian Nagelsmann der 2. Bundesliga?
Breitkreuz: „Den Vergleich hört er sicherlich öfter, weil er ebenfalls aus Hoffenheim kommt. Er ist sehr akribisch und ein top ausgebildeter Trainer, der einen innovativen Fußball spielen lässt. Er gibt jedem Spieler einen klaren Plan, wie man sich im Spiel zu verhalten hat.“
Inwiefern hat Tedesco das Spiel vom FC Erzgebirge Aue geprägt?
Breitkreuz: „Er hat unser Spielsystem verändert. Wir agieren offensiv in einer 3-4-3 Formation und gegen den Ball in einer 5-2-3 Formation. Dadurch verändern sich natürlich die Laufwege und das ganze Verhalten auf dem Platz. Es war für ihn sicherlich nicht einfach, uns so schnell eine neue Philosophie zu vermitteln. Schließlich wurde er mitten im Abstiegskampf hinein geworfen. Aber für unsere Fans ist die neue Spielweise sicherlich sehr attraktiv.“
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Auch wenn der Trainerwechsel letztendlich eine positive Wende eingeleitet hat: War der Rücktritt von Dotchev zunächst ein Schock?
Breitkreuz: „Ja, das kam total unerwartet. Schließlich hatten wir unter ihm auch erfolgreiche Zeiten. Wir sind menschlich immer näher zusammengerückt. Er hat eine Lücke hinterlassen, die wir als Mannschaft kompensieren mussten.“
Die Mannschaften im Tabellenkeller wie Aue, Arminia Bielefeld und der FC St. Pauli sammeln fleißig Punkte. Dadurch werden immer mehr Mannschaften in den Abstiegskampf hinein gezogen. Zwischen Tabellenplatz 9 und Tabellenplatz 17 liegen gerade einmal fünf Punkte. Steht ein verrückter Abstiegskampf bevor, in dem die halbe Liga um den Klassenerhalt zittert?
Breitkreuz: „Das ist bereits jetzt so. Die Tabelle ist sehr eng. Ich gehe davon aus, dass es bis zum Saisonende ein knapper Wettbewerb wird. Trotzdem glaube ich, dass wir den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen.“
Normalerweise gilt die Faustregel, dass 40 Punkte für den sicheren Klassenerhalt genügen. Wird das diese Saison vielleicht anders sein?
Breitkreuz: „Da wir noch sechs Spieltage vor uns haben, könnte es mit 40 Punkten tatsächlich knapp werden. Aber das lässt sich schwer vorhersagen.“
Vor Saisonbeginn wurde viel über Ihre Zukunft spekuliert. Einige namhafte Vereine, besonders Hannover 96, waren an Ihnen interessiert. Wie haben Sie das miterlebt?
Breitkreuz: „Das war für mich natürlich eine ganz neue Erfahrung. So etwas kannte ich bislang nicht. Letztendlich war es aber ein positiver Druck. Es war ja nicht so, das ich mir Sorgen um meine Zukunft machen musste. Ich konnte mich auch weiterhin voll mit Aue identifizieren. Mir hat niemand übel genommen, dass es Anfragen anderer Vereine gab. Alle haben mir das gegönnt – auch innerhalb der Mannschaft.“
Nun läuft Ihr Vertrag Ende der Saison aus. Sie sind ein gefragter Spieler. Sehen wir Sie kommende Saison in der Bundesliga?
Breitkreuz: „Das weiß ich nicht. So etwas ist die Aufgabe meines Beraters. Ich kümmere mich um das Sportliche und arbeite jeden Tag an mir. Und ich konzentriere mich voll auf unsere und meine Aufgabe , mit dem FC Erzgebirge Aue die Liga zu halten.“
Ein Verbleib in Aue ist allerdings unwahrscheinlich, oder?
Breitkreuz: „Ich sage von Haus aus, dass man niemals nie sagen darf. Aber wie eben gesagt: Es fällt in die Aufgabe meines Beraters, meinen Weg zu ebnen.“
Sie haben bis zu Ihrem 24. Lebensjahr für die zweite Mannschaft von Hertha BSC gespielt. Wie nahe waren Sie dort an den Profis?
Breitkreuz: „Ich habe unter Jos Luhukay und Pal Dardai einige Trainingseinheiten mitgemacht. Es stand aber wohl kaum zur Debatte, dass ich einen Profivertrag erhalte. Ich gehörte zu den ältesten Spielern. Der Verein hat lieber auf jüngere Talente gesetzt.“
Warum haben Sie den Sprung zu einem anderen Verein nicht früher gewagt?
Breitkreuz: „Der Hauptgrund war, dass ich zweimal schwer verletzt war (zwei Kreuzbandrisse, Anm.d.Red.). Danach wollte ich einfach Spielpraxis sammeln. Dies wurde mir bei der U 23 von der Hertha geboten. Dort konnte ich unter professionellen Bedingungen trainieren. Und um ehrlich zu sein: Es fehlte damals auch an Angeboten. Im Sommer 2015 habe ich dann den Schritt nach Aue gemacht. Ich bin sehr stolz, dann mit dem Verein aufgestiegen zu sein.“
Wie haben Sie sich als Berliner im beschaulichen Aue eingelebt?
Breitkreuz: „Das ging relativ schnell. Nach dem Abstieg aus der 2. Liga gab es im Verein einen großen Umbruch. Aus ganz Deutschland kamen viele neue Spieler hierher. Wir sind dadurch schneller zusammengerückt. Natürlich ist es etwas ganz Neues, als Berliner nach Aue zu kommen. Aber ich wollte höherklassig Fußball spielen. Aue war meine große Chance.“
Ist es im Abstiegskampf vielleicht ein Vorteil, dass in Aue mehr Ruhe herrscht als in Hamburg, München oder Kaiserslautern?
Breitkreuz: „Ich kann nicht beurteilen, wie die Situation bei den anderen Vereinen ist. Bei uns ist dank der Siege jedenfalls eine richtige Euphorie aufgekommen – sowohl bei der Mannschaft wie auch bei den Fans. Die letzten beiden Heimspiele waren ausverkauft. Auch beim Auswärtsspiel in Berlin wurden wir von vielen Fans unterstützt. Es geht ein positiver Ruck durch Aue.
Was für ein Spiel erwarten Sie am Samstag beim 1. FC Nürnberg?
Breitkreuz: „Das wird ein schwieriges Spiel. Nürnberg ist ein riesiger Verein in der Liga. Trotzdem wollen wir ein paar Punkte entführen.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Breitkreuz!
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