Erzgebirge Aue: Interview mit Dirk Schuster
"Unser Ziel besteht darin, drei Mannschaften hinter uns zu lassen"
Dirk Schuster blickt seiner zweiten Saison als Cheftrainer vom FC Erzgebirge Aue entgegen. Mit Liga-Zwei.de spricht er über das Saisonziel, über den kleinen Kader, über die Aufstiegsfavoriten und über das Trainerdasein in einer Kleinstadt.
Herr Schuster, der FC Erzgebirge Aue blickt mit dem siebten Tabellenplatz auf eine der erfolgreichsten Spielzeiten der Vereinsgeschichte zurück. Wie sieht die Zielsetzung für die bevorstehende Saison aus?
Dirk Schuster: „Wir waren mit dem 7. Platz in der vergangenen Saison sehr zufrieden. Die Mannschaft hat sich für ihre außerordentlich gute Arbeit belohnt. Natürlich weckt so etwas Wünsche und Begehrlichkeiten. Aber wir wissen, wie die 2. Bundesliga funktioniert. Die Ausgeglichenheit ist groß, und mir müssen realistisch bleiben: Unser Ziel besteht darin, drei Mannschaften hinter uns zu lassen, den Klassenerhalt rechtzeitig einzutüten und Erzgebirge Aue weiter in der 2. Bundesliga zu etablieren. Das ist der Auftrag. Sollte mehr möglich sein, würden wir natürlich wieder alles daran setzen.“
Sie starten mit einem Auswärtsspiel gegen den Aufsteiger Würzburger Kickers in die Saison. Daraufhin folgen die Partien gegen die SpVgg Greuther Fürth und den Hamburger SV. Wie beurteilen Sie das Auftaktprogramm?
Schuster: „Der Auftakt ist sehr ambitioniert. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass Aufsteiger immer versuchen, die Euphorie aus der Vorsaison mitzunehmen und an die guten Ergebnisse anzuknüpfen. Würzburg hat nach der Corona-Pause eine starke Serie hingelegt. Wir versuchen, Würzburg bestmöglich zu analysieren – das ist diesmal nur sehr schwierig, weil wir keine Scouts zu den Spielen schicken dürfen. Aber Würzburg hat das gleiche Problem mit uns.“
Der Kader ist verhältnismäßig klein. Kapitän Martin Männel sagt, es sei eine „sehr wackelige Geschichte, mit 20 Feldspielern und drei Torhütern in die Saison zu gehen“. Sehen Sie das genauso?
Schuster: „Das ist nun einmal der speziellen Corona-Situation geschuldet, auf die auch unser Verein reagieren muss. Dazu muss man sagen: Noch haben wir nicht einmal 20 Feldspieler. Das wirkt sich auch auf die Vorbereitung aus. Wir können im Training immer nur 7-gegen-7 oder 8-gegen-8 spielen, weil wir einfach nicht mehr Spieler haben.
Dementsprechend wichtig sind die wenigen Testspiele, die wir vereinbart haben. Nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich: Wir haben das Gerüst der Mannschaft beisammengehalten und können daher auf Automatismen zurückgreifen. In Verbindung mit dem Zusammenhalt und der Mentalität der Mannschaft stimmt mich das optimistisch, dass wir unsere Ziele in der kommenden Saison erreichen.“
Der FC Erzgebirge Aue hat keine zweite Mannschaft. Ist die U-19 stark genug aufgestellt, sodass Sie bei einem Verletzungspech talentierte A-Jugendspieler zu den Profis hochziehen könnten?
Schuster: „Der Sprung von der U-19 zur 2. Bundesliga ist extrem groß. Die meisten Spieler müssen daher erst einmal den Umweg über die Regionalliga gehen, bis sie sich für die 2. Liga empfehlen können. Von der Handlungsschnelligkeit und der körperlichen Präsenz sind die Unterschiede in der Regel einfach zu groß, um direkt von der U-19 in die 2. Bundesliga zu wechseln. Aber natürlich haben wir unseren Nachwuchs immer im Blick.“
Zu Ihren Neuzugängen zählt unter anderem der Linksverteidiger Gaetan Bussmann, den Sie bereits als Trainer vom SV Darmstadt 98 verpflichten wollten. Was schätzen Sie an ihm besonders?
Schuster: „Er ist ein Mentalitätsspieler, der alles für seinen Verein gibt. Er hat zudem viel Erfahrung, ist technisch und taktisch hervorragend ausgebildet. In der Bundesliga hat er bei Mainz 05 gezeigt, dass er auch auf diesem Niveau spielen kann. Daher sind wir glücklich, dass er seine Qualitäten in der Offensive und Defensive bei uns einbringen möchte.“
Ihr Mittelstürmer Florian Krüger hat sich vergangene Saison mit sieben Toren und neun Vorlagen in den Vordergrund gespielt. Nun wurde er erstmals für die deutsche U-21 Nationalmannschaft nominiert. Er hat lediglich noch ein Jahr Vertrag in Aue und träumt zudem von der Bundesliga. Müssen Sie seinen baldigen Abgang befürchten?
Schuster: „‚Flo‘ hat eine sehr gute Entwicklung gemacht und war letzte Saison einige Male unsere Lebensversicherung. Natürlich profitierte er dabei auch von der Homogenität der Mannschaft, das weiß Flo auch. Dass er Begehrlichkeiten weckt, ist uns nicht unbekannt. Trotzdem bin ich guter Dinge, dass er diese Saison und auch darüber hinaus bei uns bleibt.“
Der Präsident Helge Leonhardt rief das Projekt „Projekt 2023“ aus. Das bedeutet: Die Leistungsträger sollen an den Verein gebunden werden, sodass sportlicher Erfolg und auch Rendite möglich sind. Wo genau soll der Verein sich bis 2023 tabellarisch ansiedeln?
Schuster: „Eine Platzierung im gesicherten Mittelfeld wäre eine großartige Leistung, weil wir dann drei weitere Jahre in der 2. Bundesliga gute Arbeit geleistet hätten.“
Blicken wir noch einmal auf die obere Tabellenregion: Wer sind für Sie die Top-Favoriten auf den Aufstieg im kommenden Jahr?
Schuster: „Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse wird der HSV sicherlich wieder eine gute Rolle spielen. Ich denke, dass auch der 1. FC Nürnberg im oberen Tabellendrittel mitspielen wird. In Dieter Hecking als Sportchef haben sie einen richtig guten Fang gemacht. Auch mit Trainer Robert Klauß trafen sie wohl eine gute Wahl. Hannover 96 hat eine starke Rückrunde gespielt und sich verstärkt. Auch Heidenheim und Darmstadt haben gute Kader. Es lässt sich schwer voraussagen, wer die Top-Favoriten sind. Aber die großen Clubs werden oben ein gewichtiges Wörtchen mitreden.“
Eine letzte Frage zu Ihnen persönlich: Sie waren bereits Cheftrainer in Darmstadt, Augsburg und früher auch bei den Stuttgarter Kickers. Aue ist mit Abstand die kleinste Stadt, in der Sie jemals Profitrainer waren. Arbeitet es sich in einer Kleinstadt angenehmer?
Schuster: „Hier ist alles ein bisschen anders. Wir sind, angepasst an die Stadt, auch in der 2. Bundesliga ein kleiner Verein. Hier machen wenige Leute viel Arbeit. Wir haben einen extrem guten Zusammenhalt. Eine ganze Region steht hinter diesem Verein. Hier wird mitgefiebert, weil jeder sein Herz an den Verein verloren hat. Das schweißt uns alle zusammen. Man sieht an den Gesichtern der Menschen, ob wir am vergangenen Wochenende gewonnen oder verloren haben. Das ist etwas Außergewöhnliches – etwas Anderes, aber auch etwas Besonderes.“
Herr Schuster, vielen Dank für das Gespräch!
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