Elversberg-Trainer Horst Steffen im Interview: „Frank Schmidt und Heidenheim sind Vorbilder“
Steffen spricht über die Entwicklung des Vereins und die Qualitäten von Bayern-Leihgabe Paul Wanner
Der Aufsteiger SV Elversberg hat sich vorzeitig den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga gesichert. Im Exklusiv-Interview spricht Trainer Horst Steffen mit Liga-Zwei.de über die Gründe für die erfolgreiche Saison, die Qualitäten von Bayern-Leihgabe Paul Wanner und eine mögliche Vision für die Zukunft.
Herr Steffen, hätten Sie es vor der Saison für realistisch gehalten, dass Sie zwei Spieltage vor Saisonende bereits den Klassenerhalt sicher haben, im Tabellen-Mittelfeld stehen und nie wirklich in den Abstiegskampf geraten sind?
Ich hätte es auf jeden Fall für möglich gehalten. Realistisch? Das weiß ich nicht genau. Wir hatten die Hoffnung, dass wir gut in die Saison hineinkommen und uns von den unteren Tabellenrängen fernhalten, um frei aufspielen zu können. Nach den ersten vier Spielen sah dies aufgrund der Ergebnisse zwar anders aus. Aber wir haben dennoch gesehen, dass wir sportlich gut mithalten können. Danach konnten wir eine gute Serie mit tollen Ergebnissen hinlegen.
Sie sprechen es selber an: Ihre Mannschaft blieb zunächst die ersten vier Saisonspiele sieglos und verlor drei Partien davon, blieb daraufhin aber sieben Spieltage ungeschlagen. Musste sich Ihre Mannschaft einfach ein bisschen an die Liga gewöhnen?
Wir haben auch in den ersten Spielen ordentlich gespielt, aber die Ergebnisse haben nicht gestimmt. In dem Spiel gegen Osnabrück (der erste Saisonsieg des SV Elversberg, Anm.d.Red.) haben wir den Fokus darauf gelegt, defensiver zu agieren. Das ist uns gelungen. Wir haben zwar kein gutes Spiel gemacht, aber gewonnen. Danach haben wir wieder zu unserer vorherigen Spielweise zurückgefunden. Natürlich gab es auch einige Spieler, die später hinzukamen, meine Spielweise erst einmal verstehen mussten und uns dann sehr geholfen haben. Als die Ergebnisse stimmten, kam das Gefühl auf, dass wir weiter darauf aufbauen können. So wuchs die Zuversicht, dass wir eine ordentliche Saison spielen können.
Ihre Mannschaft hat in dieser Saison unter anderem den Hamburger SV, den FC St. Pauli, den FC Schalke 04 und zuletzt auch Hertha BSC besiegt. Haben Sie das Gefühl, dass Sie als die „kleine SV Elversberg“ doch oft unterschätzt wurden?
Möglicherweise ist das so. Das müssten Sie aber eher die anderen Mannschaften fragen. Wir haben versucht, unabhängig vom Gegner und vom Stadion unser Spiel durchzuziehen und die Jungs in ihrem Selbstvertrauen zu lassen. Damit haben die etablierten Mannschaften vielleicht nicht gerechnet – obwohl früh klar war, dass wir spielerisch mithalten können. Meine Trainer-Kollegen haben ja auch oft davor gewarnt, dass man Elversberg ernstnehmen muss. Ob diese Botschaft ankam oder nicht, weiß ich nicht.
Paul Wanner, der vom FC Bayern München ausgeliehen wurde, entwickelte sich im Verlaufe der Saison zu einem wichtigen Stammspieler. Welche Stärken zeichnen ihn aus?
Seine Kreativität und auch sein Dribbling, sodass er auch mal ein oder zwei Gegenspieler stehen lassen kann. Er hat einen guten Abschluss und eine gute Übersicht, spielt Pässe, die andere vielleicht nicht so sehen und spielen würden. In seinen Pässen hat er eine Genauigkeit, die außergewöhnlich ist. Dementsprechend konnte er seine Leistung auf den Platz bringen.
War die Ruhe im beschaulichen Elversberg für ihn vielleicht auch von Vorteil?
Ja, wenn man seine Leistung bringt, hat man vor mir Ruhe. Ansonsten kann auch ich ungemütlich werden (lacht). Aber sie sprechen wahrscheinlich auf die Presselandschaft und die Zuschauer an. Ich finde, wir haben mittlerweile auch eine tolle Zuschaueranzahl. Aber sicherlich haben wir weniger Druck von außen. Daher haben die Spieler gute Möglichkeit, sich zu entfalten.
Wäre es eine Option, dass Wanner noch einmal ausgeliehen wird?
Da bin ich der falsche Ansprechpartner, weil ich nicht genau weiß, was der FC Bayern München möchte. Dies wäre eher eine Frage für Paul selber, seine Berater und den FC Bayern.
Werfen wir einen Blick zurück: Sie traten ihren Dienst im Oktober 2018 an, als die SV Elversberg noch in der Regionalliga spielte. In was für einem Zustand befand sich der Verein damals?
Es gab bereits die Idee, in die 3. Liga zu gelangen. Der Verein bot gute Möglichkeiten dafür. Der Kader bestand aus Spielern, mit denen man gut arbeiten kann. Der Verein hatte zuvor schon einmal in der 3. Liga gespielt. Ich hatte die Hoffnung, vielleicht in der Saison darauf in die 3. Liga aufsteigen zu können. Damals sind wir noch knapp gescheitert. Aber es war ersichtlich, dass wir zusammengefunden haben. Dann sind wir 2022 in die 3. Liga aufgestiegen und haben einen Durchmarsch hingelegt, den keiner für möglich gehalten hätte.
Das Stadion befindet sich im Umbau und soll nach der Fertigstellung immerhin 15.000 Zuschauern einen Platz bieten. Wie ist es um die Trainingsbedingungen bestellt?
Wir haben im Sommer ein neues Trainingsgelände bekommen. Bis dahin sind wir immer mit Kleinbussen und PKWs auf unterschiedliche Plätze gefahren und haben dort trainiert. Auf unserem neuen Trainingsgelände hatten wir zunächst nur einen Trainingsplatz, seit Winter haben wir zwei. Noch sind wir natürlich nicht auf dem Stand anderer Vereine, die seit Jahren in der 2. Liga spielen, aber die Entwicklung geht auch hier immer weiter voran.
Die Gemeinde Spiesen-Elversberg hat gerade einmal rund 13.000 Einwohner. Empfinden Sie den Standort als Vorteil, weil viel Ruhe herrscht, oder als Nachteil, weil die wirtschaftlichen Bedingungen in einer Großstadt natürlich andere sind?
Das will ich gar nicht bewerten. Die Bedingungen sind so wie sie sind. Ich denke, dass im Saarland neue Fans gewonnen werden konnten – einmal durch die Liga-Zugehörigkeit, aber auch durch die Art und Weise, wie wir gespielt haben. Wir haben regelmäßig fast 10.000 Zuschauer. Vermutlich würden noch mehr Menschen in unser Stadion kommen, wenn wir mehr Plätze hätten. Begonnen habe ich damals mit 596 Zuschauern gegen FK Pirmasens. Wir haben also eine gewaltige Entwicklung genommen.
War der Standort bei Spielerverpflichtungen teilweise ein Nachteil, weil junge Menschen die Großstadt vielleicht vorziehen?
Ich glaube, dass es den Spielern vor allem um den Fußball und die Entwicklungsmöglichkeiten geht. Da haben wir sicherlich auch Vorteile. Zudem ist Saarbrücken als Landeshauptstadt nicht weit entfernt. Wenn also jemand die Großstadt braucht, um zum Beispiel in Restaurants oder Geschäfte zu gehen, kann das dort bedient werden. Wir haben nicht nur Wald, Land und eine kleine Gemeinde, sondern auch das Saarland mit all seinen Vorzügen zur Verfügung.
Ist der 1. FC Heidenheim ein Vorbild für Sie, weil dieser Verein aus einer kleinen Stadt heraus und mit einem kleinen Stadion sogar den Aufstieg in die Bundesliga und nun den Klassenerhalt geschafft hat?
Frank Schmidt und Heidenheim sind absolut als Vorbilder zu bewerten. Das kann eine Idee für die Zukunft sein. Aber wir sind erst einmal froh, dass wir ein zweites Jahr in der 2. Liga ermöglicht haben. Gerade wenn man bedenkt, wie viele verletzungs- bzw. krankheitsbedingte Ausfälle wir in der Rückrunde hatten, war das außergewöhnlich. Wir wollen uns weiter etablieren und verbessern, einen tollen Fußball zeigen und auch kommende Saison die Klasse halten.