Arminia Bielefeld: Interview mit Jonathan Clauss

"Vielleicht hat sich Nachlässigkeit eingeschlichen."

Autor: Simon Thijs Veröffentlicht: Samstag, 08.12.2018 | 11:00
Sieben seiner zwölf Liga-Einsätze bestritt der Franzose von Beginn an.

Hat sich hinten rechts in der Bielefelder Viererkette festgespielt: Jonathan Clauss. ©Imago/DeFodi

Jonathan Clauss kam scheinbar als Notlösung, als Arminia vor der Saison verletzungsbedingt Probleme auf den Außenverteidiger-Positionen bekam. Doch der Franzose überzeugte von Beginn an, obwohl er zuvor nur bei einem bescheidenen französischen Zweitligisten aktiv war und vor wenigen Jahren noch in der deutschen Verbandsliga auflief. Liga-Zwei.de hat mit dem Elsässer über seine Entwicklung, die schwere Saison der Arminia und seine Erfahrungen mit Weihnachtsmärkten gesprochen.

Herr Clauss, in den letzten Jahren spielten Sie in der Normandie. Wie sehr fehlt Ihnen die Region am Meer?
Jonathan Clauss: „Es fehlt mir gar nicht, auch wenn es schon Vorteile hatte, nahe am Meer zu sein. Ich habe das Meer vor allem als Mittel zu Regeneration und zum Zeitvertreib genutzt. Davon abgesehen fehlt es mir nicht. Ich mochte es gerne, aber ich hing nicht wirklich daran.“

Viele Fußballfans in Deutschland kennen in Frankreich nur die Ligue 1. Was können Sie uns über die Ligue 2 sagen?
Clauss: „Die Ligue 2 ist eine recht komplizierte Meisterschaft. Sie ähnelt der 2. Bundesliga in Deutschland, das Niveau ist nahe dran. Wenn ich es vergleichen müsste, würde ich aber sagen, es gibt eine Ligue 2 A und B. Die Teams der Kategorie A entsprechen der 2. Bundesliga und bei B ist es im Bereich Intensität, Physis und auch bei den Zuschauern ganz anders. Ich habe, bevor ich nach Bielefeld kam, in den Stadien nie so eine Stimmung erlebt und das auch noch an jedem Wochenende.“

„ Ich kannte sie überhaupt nicht. ”
über seine Kenntnis der 2. Bundesliga vor der Saison

Wie gut kannten Sie die 2. Bundesliga, bevor Sie nach Bielefeld kamen?
Clauss: „Ich kannte sie überhaupt nicht. Ich habe sie manchmal im Fernsehen gesehen, aber nur aus Zufall. Ich habe hier angefangen, sie durch die Spiele und durch die Übertragungen bei Sky zu entdecken. Ich schaue jetzt sehr viel und lerne sie nach und nach kennen.“

Mit Elie Laprevotte vom FC Magdeburg gibt es noch einen Spieler in der Zweiten Liga, der bei Racing Straßburg spielte. Kannten Sie ihn?
Clauss: „Ich hatte keine direkte Verbindung zu ihm, weil er gerade kam, als ich gegangen bin. Ich hatte noch Kontakt zu einigen alten Mannschaftskollegen und er war dann oft dabei. Mit ihm gespielt habe ich aber nie.“

„ Ich wollte sehen, ob ich es mit meinen Fähigkeiten schaffen kann. ”
über seinen letzten Anlauf zum Profi-Fußball

Bielefeld ist nicht Ihr erster deutscher Klub. Beim SV Linx (Verbandsliga, heute Oberliga) spielten Sie von 2013 bis 2015. Warum ging es in Deutschland nicht weiter für Sie?
Clauss: „Der SV Linx hat in der sechsten Liga gespielt. Ich fühlte mich dort sehr wohl, hatte eigentlich keinen Grund, zu gehen. Ich hatte viel Spaß dort. Aber dann wurde mir angeboten, es bei US Raon-L’Etape zu versuchen, die gerade in Frankreich aus der vierten in die fünfte Liga abgestiegen waren. Das war für mich der Moment, mein Niveau nochmal zu testen. Ich wollte sehen, ob ich es mit meinen Fähigkeiten schaffen kann oder ob es mit dem Fußball vorbei sein würde. Es war also keine Entscheidung gegen den Verein, sondern ging um eine persönliche Herausforderung.“

Wie kommt es, dass Ihre Anpassung in Bielefeld so problemlos verlaufen ist? Sie haben ja schnell einen Platz im Team erobert.
Clauss: „Ich möchte nicht sagen, dass es einfach war. Viele Leute im Verein, in der Mannschaft und auch außerhalb davon haben mir die Aufgabe sehr erleichtert. Es sind sehr respektvolle und hilfsbereite Leute. Sie haben mich sehr gut integriert. Ich bin selbst auch kein schwieriger Mensch. Ich glaube ich bin ein angenehmer Typ. Als ich kam, hat man mir sofort gesagt, dass ich nicht grundlos da bin, sondern sie wirklich auf mich zählen.

Wenn man solches Vertrauen spürt, zeigt sich das auch auf dem Feld. Ich bin sehr zufrieden, bekomme Spielzeit, auch wenn ich nicht 100 Prozent bekomme und kein unumstrittener Stammspieler bin. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein und hier zu leben. Jede Sekunde auf dem Platz nehme ich als Chance wahr. Trotz der Ergebnisse sind wir eine intakte Mannschaft und ich bin überzeugt, es wird bald wieder gut laufen.“

„ Das zeigt mir, dass mein Gehirn gut funktioniert. ”
über seine Fortschritte im Deutsch-Kurs

Inwieweit hat es geholfen, dass Ihr Trainer Jeff Saibene auch Französisch spricht?
Clauss: „Am Anfang hat er französisch mit mir gesprochen, weil er nicht wusste, ob ich Deutsch kann oder nicht. Aber jetzt spricht er nur noch selten über wenige Details auf Französisch mit mir. Ich habe ihm schnell gesagt, dass ich Deutsch lernen will und jeden Tag Fortschritte machen will, sodass er nicht gezwungen ist, mit mir französisch zu sprechen.“

Hatten Sie als gebürtiger Straßburger auch schon vorher gute Deutschkenntnisse?
Clauss: „Ich hatte in Linx einige Grundkenntnisse erworben, aber nicht so viel. Als ich hier ankam, ging es schneller, vielleicht weil ich große Lust darauf hatte. Genau weiß ich aber nicht, warum es so gut funktioniert. Aber umso besser, das zeigt mir, dass mein Gehirn gut funktioniert (lacht).“

Mit welchen sportlichen Erwartungen sind Sie zur Arminia gekommen?
Clauss: „Einmal mit dem Ziel, die persönliche Herausforderung zu bewältigen und zu sehen, ob ich das nötige Niveau für die 2. Bundesliga habe oder nicht. So teste ich jetzt seit drei Jahren meine Grenzen aus und weiß noch nicht, bis wohin ich noch kommen kann. Außerdem bin ich hier hergekommen, um so viel Spielzeit wie möglich zu bekommen.

Je mehr ich bekomme, desto mehr sage ich mir, dass da noch mehr geht. Indem ich dann wieder mehr will, verschiebe ich auch meine Grenzen erneut, bis zu dem was ich noch erreichen kann. Bis dahin versuche ich zu spielen, gute Leistungen zu zeigen und der Mannschaft so gut wie möglich zu helfen, unsere Ziele zu erreichen.“

„ Vielleicht hat sich unwillentlich ein bisschen Nachlässigkeit eingeschlichen. ”
über die Gründe für die schwere Saison des DSC

Im Moment liegt Arminia noch hinter den eigenen Zielen zurück. Warum läuft es nicht so rund?
Clauss: „Die Gründe sind schwer zu finden. Es liegt jedenfalls nicht am Mannschaftsgefüge. Ich glaube, nach einem unglaublichen Jahr, wie der letzten Saison, ist es schwer, das zu wiederholen. Vielleicht hat sich unwillentlich ein bisschen Nachlässigkeit eingeschlichen. Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass es nicht von Dauer sein wird.“

Gegen Sandhausen folgt Sonntag ein entscheidendes Duell. Was erwarten Sie vom Gegner?
Clauss: „Ehrlich gesagt ist der Gegner für mich schwer einzuschätzen. Nach dem Spiel gegen Paderborn haben wir verstanden, dass wir uns nur auf uns und auf unsere Spielweise konzentrieren müssen. Ich glaube, wenn uns das gelingt, ist das schon eine große Leistung und wir werden gute Chancen haben, Sonntag mit drei Punkten aus dem Spiel zu gehen.“

Gegen die Teams, die hinter Arminia stehen, konnte kein Spiel gewonnen werden. Woran liegt das?
Clauss: „Das ist kompliziert. Es liegt einfach an der schwierigen Phase, in der wir sind. Da fehlt dann das Glück auch gegen die Teams, die unten stehen. Es lief einfach nicht. Jetzt müssen wir die Waage in die andere Richtung kippen und dann wird es besser werden.“

„ So etwas hatte ich noch nie erlebt. ”
über die Weihnachtsfeier bei Arminia im Stadion

Es folgen mit Kiel und Heidenheim zwei Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Wie viele Punkte sind da noch drin vor Weihnachten?
Clauss: „Wir wollen möglichst viele Punkte, werden uns also nicht verstecken. Ich gehe nicht auf das Feld, um auf ein Unentschieden zu spielen. Natürlich wollen wir das Maximum an Punkten holen. Danach werden wir sehen, aber wir müssen alles reinwerfen.“

Zum Abschluss: Straßburg ist ja für seinen Weihnachtsmarkt berühmt. Wie erleben Sie die Vorweihnachtszeit in Bielefeld?
Clauss: „Ich habe vor ein paar Tagen eine kleine Runde über den Weihnachtsmarkt gemacht und fand ihn sehr schön. Kürzlich hatten wir im Stadion unsere Weihnachtsfeier. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich finde das sehr gemütlich. Der Weihnachtsmarkt in Straßburg ist bekannt, weil er sehr, sehr groß ist und sehr schön ist, aber ich finde ihn hier sehr hübsch und sympathisch. Ich mag ihn sehr.“

Wie verbringen Sie die Feiertage?
Clauss: „Die Feiertage verbringe ich ganz ruhig bei meiner Familie in Straßburg. Nach dem letzten Heimspiel werde ich für die freie Zeit nach Hause fahren.“

Herr Clauss, vielen Dank für das Gespräch!

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