Arminia Bielefeld: Interview mit Jeff Saibene
"Bundesliga ist mein langfristiger Traum"
Mit Jeff Saibene ging es bei Arminia Bielefeld aufwärts. Er übernahm die Mannschaft im März 2017, führte den Verein zum Klassenerhalt und diese Saison in das gesicherte Mittelfeld. Im Montagabendspiel gegen Union Berlin (20:30 Uhr) sollen die nächsten Punkte her. Vorher sprach der 49-Jährige exklusiv mit Liga-Zwei.de über die Zukunft der Arminia, den schwierigen Schritt von Luxemburg in den Profifußball und seine Fan-Liebe zum Hamburger SV.
Herr Saibene, am Montagabend treffen Sie auf Union Berlin. Berlin galt vor der Saison als Aufstiegskandidat Nummer 1 und hat nun seit dem Trainerwechsel kein Spiel mehr gewonnen. Welchen Eindruck haben Sie von Union?
Jeff Saibene: „Union hat großes Potential und wurde zuletzt unter Wert geschlagen. Die Mannschaft ist deutlich besser als sie momentan dasteht.“
Fabian Klos hat diese Saison erst drei Tore erzielt. Seine beste Zeit in Bielefeld hatte er, als er noch als einzige Spitze fungierte. Liegt ihm das System mit zwei Stürmern weniger?
Saibene: „Nein, das würde ich nicht sagen. Eigentlich ist es deutlich schwieriger, vorne als einzige Spitze zu spielen. Zumal Fabian Klos vorne mit Andreas Voglsammer einen Sturmpartner hat, der ebenfalls viel arbeitet und viele Tore schießt. Der Grund ist eher, dass Klos unter mir defensiv mehr arbeiten muss als früher.
Das Verteidigen fängt bei mir ganz vorne bei den Stürmern an und hört beim Torhüter auf. Klos läuft dadurch mehr als je zuvor, oft zwei bis drei Kilometer mehr als früher. Vielleicht leidet darunter seine Torquote. Aber das nehme ich gerne in Kauf.“
Fabian Klos soll kurz vor einem Wechsel zu Eintracht Braunschweig gestanden haben…
Saibene: „Das Thema war nicht so heiß wie es in den Medien behandelt wurde. Interesse war wahrscheinlich vorhanden. Aber der Wechsel stand nie konkret bevor.“
Stürmer Andreas Voglsammer ist unter Ihnen regelrecht aufgeblüht, nachdem seine Karriere zuvor etwas schleppend verlief. Was zeichnet ihn aus?
Saibene: „Er ist ein Spieler, der sich den Erfolg wirklich hart erarbeitet. Er hat eine unglaubliche Einstellung – sowohl auf wie auch neben dem Platz. Er arbeitet nach dem Training noch weiter. Das zeigt sich auch an seinem Body (lacht). Er stellt sich in den Dienst der Mannschaft und ist vor dem Tor kaltblütig.“
Ihre Mannschaft ist von den Aufstiegsplätzen ähnlich weit entfernt wie von den Abstiegsplätzen. Wohin richtet sich der Blick der Mannschaft?
Saibene: „Das ist eine banale Aussage, aber immer auf das nächste Spiel. Der Sieg gegen Bochum war extrem wichtig. Die Tabelle ist eng beieinander. Ansonsten hätte es auch ganz schnell brenzlig werden können. Ich hoffe, der Sieg gibt uns Selbstvertrauen. Drei der nächsten vier Spiele finden zu Hause statt. Wir wollen so schnell wie möglich die 40 Punkte erreichen.“
Wer sind für Sie die Aufstiegsfavoriten?
Saibene: „Ich denke, dass Düsseldorf und Nürnberg direkt aufsteigen werden. Wer den Relegationsplatz belegt, ist hingegen völlig offen.“
Als Sie Arminia Bielefeld übernahmen, stand der Verein auf dem Relegationsplatz und zitterte um den Klassenerhalt. Was haben Sie damals verändert, um die Arminia wieder auf Kurs zu bringen?
Saibene: „Ich kann nicht beurteilen, wie es vorher gelaufen ist. Ich denke einfach, dass alle hier ihren Spaß haben. Die Harmonie ist gut. Die Mannschaft ist bei jedem Training mit viel Leib und Seele dabei. Wir arbeiten konzentriert und versuchen jedes Spiel zu gewinnen.“
Nicht nur die sportliche Situation, sondern auch die finanzielle Situation hat sich bei der Arminia enorm verbessert. Der Verein ist aufgrund des Schuldenschnitts nahezu schuldenfrei. Blickt Arminia nun wieder in eine rosige Zukunft?
Saibene: „Die Voraussetzungen sind nun ganz andere, wenn es darum geht, Spieler an den Verein zu binden oder neue Spieler zu verpflichten. Wir haben im Sommer nun eher die Möglichkeit, um gute Spieler mit zu pokern. Zumal auch die Spieler registrieren, dass Arminia nun eine bessere Perspektive hat. Das macht einen Wechsel nach Bielefeld eher schmackhaft.“
Mutiert Arminia Bielefeld dadurch zukünftig wieder zum Aufstiegskandidaten?
Saibene: „Mein erstes Ziel war es, die Mannschaft vor dem Abstieg zu retten. Diese Saison ist es unser Ziel, eine gute Rolle in der 2. Bundesliga zu spielen. Und mittelfristig sollte es das Ziel sein, im ersten Tabellendrittel eine gute Rolle zu spielen.“
Gegen Bochum standen sechs Spieler aus der eigenen Jugend im Kader, darunter auch die beiden 18-jährigen Can Özkan und Cerruti Siya. Der 17-jährige Roberto Massimo fehlte verletzt, hatte aber bereits einen Kurzeinsatz. Wie weit sind diese jungen Spieler?
Saibene: „Ich möchte noch Henri Weigelt hinzufügen, der gegen Bochum eingewechselt wurde und ebenfalls aus der eigenen Jugend stammt. Klar ist: All diese Jungs hätte ich nicht mitgenommen, wenn sie der Mannschaft nicht helfen könnten. Andersherum sehen auch die Spieler, dass das Trainerteam auf sie baut. Das ist wichtig. Arminia muss den eigenen Nachwuchs pushen – auch um später Spieler zu verkaufen und Transfererlöse zu erzielen.“
Das Problem ist aber, dass Ihre zweite Mannschaft lediglich in der Oberliga spielt und sich dort auch in der unteren Tabellenregion befindet. Ist das nicht ein Nachteil gegenüber den anderen Vereinen im Hinblick auf die Förderung von Talenten?
Saibene: „Es wäre sicherlich besser, wenn die zweite Mannschaft in der Regionalliga spielen würde. Aber wir haben andere Möglichkeiten gefunden, um den Nachwuchs zu fördern. Wir hatten junge Nachwuchsspieler mit im Trainingslager, lassen sie am Training der Profis teilnehmen und Freundschaftsspiele bestreiten.
Zudem findet immer am Dienstagabend ein zusätzliches Training für die besten Nachwuchsspieler von der U 17 bis zur U 23 statt. Das sind gute Maßnahmen, um den Nachwuchs weiterzuentwickeln.“
Zu Ihrer Person: Sie waren der erste Trainer aus Luxemburg im deutschen Profifußball. Sie waren mit FC St. Gallen auch der erste luxemburgische Trainer, der einen Verein in die Gruppenphase der Europa League führte. Warum gibt es nicht mehr gute Trainer aus Luxemburg?
Saibene: „Es ist nicht einfach, von Luxemburg aus den Sprung in den Profifußball zu schaffen. Das beginnt bereits damit, dass man die UEFA Pro Lizenz nicht in Luxemburg erwerben kann. Man muss also ins Ausland gehen. Um dort aber angenommen zu werden, muss man bereits Profitrainer sein.“
Das ist also ein Teufelskreis…
Saibene: „Genau. Und überhaupt: Wer kommt schon nach Luxemburg, um sich ein Spiel vor 300 Zuschauern anzusehen und dort vielleicht einen Trainer zu entdecken? Das funktioniert eigentlich nur, wenn man, wie ich oder Jeff Strasser (Ex-Trainer vom 1. FC Kaiserslautern, Anm.d.Red.), bereits im Ausland als Profi gespielt hat und dadurch Kontakte hat. Oder man wird Nationaltrainer von Luxemburg, hat Erfolg und empfiehlt sich dadurch für einen Profiverein.“
Sie haben selber viele Jahre für die Nationalmannschaft von Luxemburg gespielt. Bislang war Luxemburg nie bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft vertreten. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich das ändern wird?
Saibene: „Die Nationalmannschaft hat die letzten Jahre extreme Fortschritte gemacht. Wir holen in der EM- und WM-Quali mittlerweile regelmäßig Punkte. Das 0:0 in Frankreich war ein historischer Erfolg – zumal für Frankreich noch einiges auf dem Spiel stand. Der Verband betreibt mittlerweile eine gute Nachwuchsarbeit. So langsam zahlt sich das auch aus.“
Sie sollen seit Ihrer Kindheit ein Fan des Hamburger SV sein. Wie kam es dazu?
Saibene: „Das erste Bundesligaspiel, das ich zusammen mit meinem Vater im Stadion gesehen habe, war Kaiserslautern gegen den HSV. Das war die Zeit von Kevin Keegan. Den fand ich unglaublich gut. Dann kamen noch Horst Hrubesch, Manfred Kaltz und Felix Magath dazu. 1983 gewann der HSV den Europapokal. Als Kind hat ja jeder seine Lieblingsmannschaft – bei war das der HSV. Letztens habe ich hier in Bielefeld übrigens Uli Stein kennengelernt, der damals beim HSV im Tor stand. Das hat mich gefreut.“
Und wie ist es heute um Ihre Fan-Liebe bestellt?
Saibene: „Ich wünsche dem Verein, dass er in der Bundesliga bleibt. Ein Fan bin ich heute aber nicht mehr (lacht).“
Trotzdem: Die Bundesliga soll ihr großes Ziel sein. Wäre der HSV, sofern der Klassenerhalt gelingt, also Ihr Wunsch-Verein?
Saibene: „Ich fühle mich hier in Bielefeld sehr wohl und möchte über längere Zeit bei diesem Verein gute Arbeit leisten. Dass die Bundesliga für mich ein langfristiger Traum ist, kann ich aber nicht bestreiten, dann würde ich lügen.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Saibene!
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