Arminia Bielefeld: Interview mit Baboucarr Gaye

"Ich bin sehr glücklich über diese Erfahrungen."

Autor: Andreas Breitenberger Veröffentlicht: Samstag, 30.03.2019 | 12:00
Baboucarr Gaye beim Abschlag.

Nicht nur im Arminia-Trikot, sondern auch in dem der Nationalmannschaft Gambias aktiv: Baboucarr Gaye. ©Imago/Kirchner-Media

Für Arminia Bielefeld bestritt Baboucarr Gaye zwar noch kein Pflichtspiel, trotzdem wurde der Torhüter in den zurückliegenden zwölf Monaten regelmäßig für die Nationalmannschaft Gambias nominiert. Im Interview mit Liga-Zwei.de spricht der 21-Jährige über seine Erfahrungen dort, die „fußballverrückte“ gambianische Auswahl und die Umstellung von Nationalmannschafts- auf Ligabetrieb.

Herr Gaye, im vergangenen Oktober sagte Christoph Daum: „Gambia wollte mich als Nationaltrainer haben. Da musste ich erst mal schauen, wo das liegt“. Können Sie ihm helfen, das Land auf der Weltkarte zu finden?
Baboucarr Gaye: „Das kann man ihm nicht übelnehmen, Gambia ist nicht das größte Land. Gambia befindet sich an der Westküste Afrikas. Man sagt ja immer so schön über die Gegend ‚Im Herzen Afrikas‘ und dort eben ganz links, umgeben vom Senegal.“

Die Qualifikation für den Afrika Cup hat das Team verpasst. War in einer Gruppe mit Algerien, Benin und Togo mehr drin?
Gaye: „Wir haben unsere Sache als Underdog gegen Teams, die schon Weltmeisterschaften bestritten haben und regelmäßig beim Afrika Cup dabei sind, gut gemacht. Natürlich gibt es immer noch Sachen, die man justieren kann. Unser Ziel ist definitiv, dass wir uns langfristig für ein kontinentales Turnier qualifizieren.“

Wie groß ist die Sehnsucht im Land, endlich mal beim Afrika Cup dabei zu sein?
Gaye: „Schon groß. Die Einwohner hoffen es jedes Mal aufs Neue. Auch von uns Fußballern möchte jeder einzelne beweisen, dass wir Spieler haben, die auf dem Niveau mithalten könnten. Für einen Fußballer ist es schließlich das Größte, bei so einem internationalen Turnier dabei zu sein.“

„ Jeder hier ist professionell und ambitioniert. ”
über Gambias Nationalmannschaft

Sie sind in Bielefeld geboren und aufgewachsen, spielen seit 2007 bei der Arminia. Welche Verbindungen haben Sie nach Gambia?
Gaye: „Mein Vater ist dort geboren, kam mit 18 Jahren nach Deutschland. In meiner Kindheit habe ich schon viel von der Kultur, der Mentalität, der afrikanischen Seite allgemein mitbekommen. Bis zu meinem 18. Lebensjahr war ich leider nicht in Gambia, das hat sich durch die Nationalmannschaft dann aber ergeben und ich konnte meine eigenen Eindrücke sammeln.“

Gibt es vielleicht Parallelen zwischen der Mentalität in Gambia und Deutschland oder sind die Welten total unterschiedlich?
Gaye: „Ich sag` immer so: Mensch ist Mensch. Auf dieser Ebene gibt es natürlich Parallelen. Man sagt ja immer, die Afrikaner sind allgemein lockerer, aber es ist jetzt nicht so, dass bei uns in der Nationalmannschaft jemand Zirkus macht. Jeder ist hier professionell und ambitioniert, aus seiner Lage das Bestmögliche herauszuholen. Unterschiede sieht man vor allem, wenn es um die Möglichkeiten geht, die in den Ländern gegeben sind.“

Im März 2017 wurden Sie erstmals für die Nationalmannschaft Gambias nominiert. Was wussten Sie zu diesem Zeitpunkt über den gambischen Fußball?
Gaye: „Mir war bewusst, dass wir viele junge Spieler haben, die weltweit verteilt sind, fußballerisch aber noch nicht richtig Fuß fassen konnten. Dem Land konnten sie so fußballerisch keinen großen Namen machen.

Dann habe ich mich gefreut, dass ich ein Teil der Nationalmannschaft sein, meinen Vater stolz machen und die andere Seite meiner Herkunft richtig kennenlernen kann. Mit den anderen Jungs hatte ich dann das Ziel, etwas zu reißen und dem Land zu helfen.“

„ Jeder im Stadion, im ganzen Land fiebert auf das Spiel hin. ”
über die Fußballbegeisterung in Gambia

Gibt es einen Mitspieler oder eine Persönlichkeit, die sie besonders beeindruckt hat?
Gaye: „Jeder ist ein besonderer Typ. Man bekommt allgemein viel mit von den Ländern, in denen jeder Einzelne spielt, man kann sich viel austauschen. Wenn ich einen herauspicken müsste, der mir viel geholfen hat, ist es auf jeden Fall Pa Modou. Er ist der Kapitän der Nationalmannschaft, spielt momentan beim FC Zürich. Dadurch, dass er Deutsch spricht, hat er mir am Anfang viel unter die Arme gegriffen.“

Auf Ihren ersten Einsatz im Nationaltrikot warten Sie noch. Welche Erfahrungen haben Sie trotzdem von den bisherigen Reisen und Spielen mitgenommen?
Gaye: „Wenn man wie bei unserem Spiel in Algerien in ein Stadion einmarschiert und sich dabei 50.000 Leute freuen und komplett durchdrehen, dass man auf dem Platz ist: das ist natürlich eine super Erfahrung.

Auch wenn man nur im Kader steht. Jeder im Stadion, im ganzen Land fiebert auf das Spiel hin. Zum Beispiel war das ganze Land nach unserem Sieg über den Benin in Feiertagsstimmung. Das sind Erfahrungen, über die ich sehr glücklich bin, sie machen zu dürfen.“

Gibt es etwas, das Ihre Mitspieler in Gambia vom deutschen Fußball wissen möchten?
Gaye: „Wir tauschen uns immer aus, was in den Ligen läuft. Alle sind fußballverrückt und beschäftigen sich sowieso mit dem weltweiten Fußball. Daher ist jeder auf einem guten Stand, auch was die 2. Liga in Deutschland angeht. Wir haben generell ein sehr familiäres Verhältnis. Jeder informiert sich immer, wie der andere gespielt hat.“

„ Unser Trainer legt sehr viel Wert auf Disziplin, was auch richtig ist. ”
über seinen Trainer Tom Saintfiet

Ihr Nationaltrainer Tom Saintfiet gilt als „Fußball-Globetrotter“. Alleine in den letzten drei Jahren coachte er neben Gambia noch vier weitere Nationalteams. Was können Sie von ihm lernen?
Gaye: „Unser Trainer legt sehr viel Wert auf Disziplin, was auch richtig ist. Darum haben wir eine gute Basis, was die defensiven Abläufe angeht. Wir machen viele Sachen, die in Europa Standard sind, aber in Afrika noch ein bisschen brauchen, um herangeführt zu werden. Da bringt er sehr viel Erfahrung ein und das äußert sich dann auch in den Ergebnissen.“

Gibt es etwas, was sie in der Nationalmannschaft gelernt haben und das Sie auch in Bielefeld einbringen können?
Gaye: „Man lernt viel vom Trainerteam, aber auch von den Spielern. Ob das jetzt aufs Spiel bezogen ist oder kleine Tipps am Rande sind: jeder versucht, dem anderen so gut wie möglich zu helfen. Dass man auch mal andere Eindrücke, andere Sichtweisen hat, hilft mir auch für meine Zeit im Verein.“

Jetzt sind Sie wieder in Bielefeld. Wie schwer fällt Ihnen die Umstellung von Nationalmannschafts- auf Ligabetrieb?
Gaye: „So schwierig ist das gar nicht. Bei der Nationalmannschaft ist das Stadion immer voll, in Bielefeld herrscht auch immer eine super Stimmung, die Fans unterstützen uns. Von daher ist beides auf einem guten Level. Das erste Mal nach Gambia zu reisen, das war schon besonders und gewöhnungsbedürftig. Mittlerweile ist das zum Glück aber fast schon Alltag geworden.“

Herr Gaye, vielen Dank für das Gespräch!

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