Fabian Schleusener vom Karlsruher SC im Interview: „Der Traum Profifußball war bei mir unrealistischer“

Der Stürmer vom KSC spricht über seinen ungewöhnlichen Weg in den Profifußball

Autor: Oliver Jensen Veröffentlicht: Samstag, 19.10.24 | 10:15

© IMAGO / Sportfoto Rudel

(© IMAGO / Sportfoto Rudel)

Fabian Schleusener (32), der Stürmer des Karlsruher SC, spricht im Interview mit LIGA-Zwei.de über den erfolgreichen Saisonstart des KSC, das bevorstehende Spiel gegen den SSV Ulm und seinen langen Weg in den Profifußball.

Herr Schleusener, der Karlsruher SC musste in der Sommerpause viele erfahrene Spieler wie zum Beispiel Lars Stindl oder Jerome Gondorf gehen lassen. Dennoch ist Ihre Mannschaft ungeschlagen. Ist der gelungene Saisonstart überraschend?

Jein. Wir hatten schon eine ziemliche Fluktuation. Man hat Erfahrung verloren, aber sich natürlich auch neu aufgestellt und teilweise auf etwas jüngere Spieler gesetzt, die Potenzial haben. Aber wenn man sich die Startelf der letzten Wochen anschaut, sind viele Spieler darunter, die bereits letzte Saison dabei waren. Es ist halt so im Fußball, dass es nach jeder Saison Abgänge und Zugänge gibt. Das war auch bei uns der Fall. Vielleicht ein bisschen extremer, aber ich glaube, das haben wir ziemlich gut aufgefangen.

In der Saisonvorbereitung besiegten Sie den Bundesligisten TSG Hoffenheim mit 4:1. Hatte dies Ihre Zuversicht gestärkt, dass Ihre Mannschaft auf Anhieb zu funktionieren scheint?

Ich würde diese Vorbereitungsspiele nicht so hoch hängen. Ich hatte schon Spielzeiten, da haben wir fast jedes Vorbereitungsspiel verloren und sind dann gut in die Saison gestartet. Genauso war es auch schon andersrum. Ich glaube, wir haben uns einfach sehr gut auf die Saison vorbereitet. Das Hauptaugenmerk lag darauf, uns sowohl gegen den Ball als auch mit dem Ball zu verbessern. Wir fanden einen ziemlich guten Mittelweg, um positiv in die Saison zu starten.

Die Kehrseite des guten Saisonstarts ist die Defensive: Nachdem der KSC in den ersten fünf Spielen fünf Gegentore kassierte, waren es in den zurückliegenden drei Spielen neun Gegentore. Worauf führen Sie das zurück?

Das ist die Frage der Fragen. Uns ist natürlich bewusst, dass das zu viele Gegentore sind. Klar ist aber auch, dass Köln (Endstand 4:4) eine Mannschaft hat, die immer gut für Tore ist. Und auch Darmstadt (3:3) spielt unter dem neuen Trainer einen sehr guten Fußball. Nichtsdestotrotz gab es zu viele Gegentore. Das müssen wir abstellen. Das haben wir in den ersten Spielen besser hinbekommen, als es das Wichtigste war, hinten unser Tor zu verteidigen, sodass die Null steht. Vorne sind wir dann immer für ein Tor gut.

Hinter Ihnen in der Tabelle stehen einige Aufstiegsaspiranten wie Hannover 96, der Hamburger SV, Hertha BSC und der 1. FC Köln. Kann der KSC dauerhaft solche Mannschaften hinter sich halten?

Das wird uns wahrscheinlich niemand glauben, aber wir schauen wirklich nur auf uns. Wir sind uns bewusst, dass wir einen guten Start hatten. Aber wir bewerten vor allem unsere Leistungen und versuchen, uns von Spiel zu Spiel zu verbessern. Natürlich ist es ein schöner Nebeneffekt, dass wir in der Tabelle oben stehen. Aber das Hauptaugenmerk liegt tatsächlich auf uns.

Vor der Saison wurde Ihr Trainer Christian Eichner in den Medien mit einigen anderen Vereinen in Verbindung gebracht. Wie haben Sie diese Ungewissheit als Spieler wahrgenommen?

Das Thema ist die letzten Wochen und Monate immer so ein bisschen präsent gewesen. Aber man muss dazu sagen, dass die Mannschaft und das ganze Trainerteam einen super Draht haben. Da passt nichts zwischen uns. Wir gehen sehr transparent miteinander um und wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Natürlich freuen wir uns, wenn solche Themen schnell geklärt sind. Aber es ist nicht unverständlich, dass unser Trainer und das Trainerteam das Interesse anderer Vereine wecken. Die Arbeit der letzten Jahre spricht für sich.

Am Sonntag wird der Aufsteiger SSV Ulm der Gegner sein. Wie schätzen Sie diese Mannschaft ein?

Es wird wirklich kein einfaches Spiel. Die Ulmer haben über mehrere Ligen hinweg einen guten Lauf, sind in der 2. Liga gelandet und ziehen ihren Stil des Fußballs weiter durch. Wir wissen, was auf uns zukommt, sind aber gewappnet und wollen die drei Punkte mitnehmen.

Sie gehören zu den eher wenigen Spielern, die nicht bei einem Profiverein ausgebildet wurden. Stattdessen haben sie sich beim FC Denzlingen von der Landesliga hochgearbeitet. Wie fern war der Profifußball damals für Sie?

Wo sie mich jetzt darauf ansprechen, fällt mir ein, dass ich tatsächlich schon einmal in der Oberliga gegen den SSV Ulm gespielt habe…

Das ist richtig. Sie haben sogar dreimal gegen Ulm gespielt, zweimal mit dem Bahlinger SC in der Oberliga und einmal mit Waldhof Mannheim in der Regionalliga…

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich habe ab der Landesliga bis zur 2. Bundesliga jede Liga mitgenommen. Diesen Traum, Profifußballer zu werden, hat man als kleines Kind natürlich. Ich habe nie ein Nachwuchsleistungszentrum von innen gesehen – zumindest nicht als Jugendlicher. Dann muss man anderweitig Schritt für Schritt nach vorne kommen. Der Traum Profifußball war bei mir natürlich unrealistischer als bei den Spielern aus einem Nachwuchsleistungszentrum. Aber je weiter ich nach oben gekommen bin und je weiter ich mich entwickelt habe, desto größer ist dieser Wunsch geworden. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich diesen Beruf ausüben darf, weil ich weiß, wie hart der Weg war. Und ich weiß auch, wie das „normale Leben“ ist.

Eine Besonderheit in Ihrem Lebenslauf ist auch, dass Sie mit 21 Jahren in die Regionalliga zum SV Waldhof Mannheim wechselten, jedoch bereits nach einem halben Jahr in die Oberliga zum Bahlinger SC zurückkehrten. Empfanden Sie dies als großen Rückschlag?

Da kam vieles zusammen. Mannheim war für mich das erste Mal, dass ich alleine gewohnt habe – weg aus Freiburg und meiner Heimat, wo meine Freunde alle waren. Ich kam dadurch in den Profifußball hinein, weil wir damals bereits wie Profis lebten. Im Winter entschied ich mich dazu, zum Bahlinger SC zurückzugehen und ein duales Studium zu beginnen.

War der Traum vom Profifußball für Sie damals abgehakt?

So würde ich das nicht unbedingt sagen. Ich habe dann eine sehr gute Saison in der Oberliga gespielt und kam im Alter von 22 Jahren zur 2. Mannschaft des SC Freiburg. Da habe ich mir gesagt: Gut, wenn man diese Chance jetzt zum zweiten Mal bekommt, dann auch noch in der Heimat, dann muss ich wirklich alles andere unterordnen. Und das habe ich seitdem auch gemacht.

Hatten Sie sich bereits ein zweites Standbein für den Fall aufgebaut, dass es nicht mit dem Profifußball klappt?

Ich habe tatsächlich zweimal angefangen zu studieren.Mein Volkswirtschafts-Studium brach ich ab, als ich nach Mannheim ging. Später begann ich ein duales Studium im Bereich BWL und Finanzen. Das habe ich für den Fußball später erneut unterbrochen. Um ehrlich zu sein, kann man allerdings auch hier von einem Abbruch sprechen. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal ein trockenes Finanzstudium angehen würde.

Bereuen Sie es im Hinblick auf Ihr Leben nach dem Fußball manchmal, kein Studium abgeschlossen zu haben?

Ich bereue gar nichts. Ich bin unfassbar dankbar dafür, dass ich in diesem Beruf habe. Nebenher habe ich mittlerweile meine Fitnesstrainer-Lizenzen gemacht. Zudem bin ich gerade dabei, meinen Heilpraktiker zu machen. Das macht mir viel Spaß. Was nach der Karriere folgen wird, ist Zukunftsmusik. Ich genieße es noch zu sehr, Fußball zu spielen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Fußballspielern geben, die nicht bei einem Profiverein ausgebildet werden und dennoch den Sprung in den Profifußball schaffen möchten?

Ich glaube, obwohl es nicht typisch ist und dieser Weg nicht normal ist, so ist es dennoch möglich, Profifußballer zu werden, indem man stetig an sich selbst arbeitet und versucht, so viel Wissen von jedem Trainer – egal in welcher Liga es ist – aufzuschnappen und aufzusaugen. Das hat mir immer sehr geholfen. Ich habe mich immer sehr, sehr schnell an die nächsthöhere Liga adaptiert und konnte darüber hinaus immer einen Schritt weitergehen.