Holstein Kiel: Kronholm tippt auf Arbeitssieg gegen HSV

Ex-Keeper drückt in Amerika die Daumen

Autor: Luis Hagen Veröffentlicht: Samstag, 07.11.2020 | 16:00
Kenneth Kronholm

Fünf Jahre lang lief Kenneth Kronholm für Holstein Kiel auf. ©imago images/Revierfoto

Als die 2. Bundesliga vor zehn Wochen in ihre neue Spielzeit gestartet ist, hat Liga-Zwei.de schon einmal Kontakt aufgenommen mit Kenneth Kronholm in Chicago. Denn 2018 war der Premieren-Auftritt des Hamburger SV in der 2. Bundesliga komplett in die Hose gegangen. Kronholm weiß, wie das geschehen konnte.

Holstein Kiel triumphierte vor fast 60.000 Menschen im Volksparkstadion mit einem 3:0. Hinten hatte Kronholm den Kieler Kasten sauber gehalten und vorne haben Meffert, Kinsombi und Honsak als eiskalte Verwerter brilliert. Wir wollten mit ihm in seinen Erinnerungen kramen, um herauszufinden, wie es zu diesem Paukenschlag zum Saisonstart kommen konnte.

Sehr schöne Erinnerungen an 2018

Doch wir erreichten „Kenny“, wie sie ihn überall rufen, an diesem Tag im Krankenbett einer Chicagoer Klinik. Mit stark schwächelnder Stimme berichtete er uns mühsam, dass die wenige Tage zuvor absolvierte Reparatur des gerissenen Kreuzbandes eine Infektion ausgelöst habe und er sich gerade saumäßig schlecht fühle.

So haben wir uns auf bessere Zeiten verständigt, nun einen neuen Anlauf genommen und – Gott sei Dank – diesmal einen frohgelaunten Gesprächspartner angetroffen. Kenny Kronholm ist anzumerken, wie diebisch er sich darüber freut, uns von den beiden miterlebten Siegen gegen den HSV im Jahre 2018 zu berichten. Denn am Montagabend wird der HSV wieder bei Holstein Kiel antreten. Zum fünften Male in der 2. Bundesliga, doch noch ohne einen Sieg des HSV.

über die Reaktion der KSV-Spieler auf den 3:0-Sieg im August 2018
„ Verdammt, das funktioniert ja doch. ”
Kenneth Kronholm

Mit Kronholm im Tor hat die KSV Holstein zweimal (3:0 dort, 3:1 daheim) gewonnen. Seit Kronholm bei Chicago Fire in der US Major-League-Soccer beschäftigt ist, hat das Holstein-Team ohne ihn in der vorigen Spielzeit zweimal remis gespielt (1:1 in Kiel und – noch ein Spektakel – 3:3 in Hamburg).

„Wir haben dagesessen, gegrinst, den Kopf geschüttelt, uns dann immer wieder auf die Schenkel geschlagen und vor Freude in die Kabine gerufen: Verdammt, das funktioniert ja doch!“ So berichtet Kronholm auch heute noch feixend und holt so eine Stimmungslage zurück, die aufgreift, wie bedeutend dieser 3:0-Triumph im Volkspark für die fußballerische Entwicklung des Holstein-Teams bis heute ist.

Torwart & Spielmacher an der Förde

Denn Kronholm und seine Teamkollegen hatten den inzwischen so häufig beschriebenen und zuletzt beim VfB Stuttgart immer auch umstritten diskutierten Tim-Walter-Style ihres Trainers erstmals überzeugend auf das Spielfeld transportieren können.

„Wir hatten an diesem Abend überhaupt nichts zu verlieren und haben am Ende alles gewonnen“, sagt Kronholm und meint das Vertrauen in das neue System des Tim Walter, das eine Art Fußball-Anarchie verkörperte, weil alle Positionen von eins bis elf auf Antriebsspiel programmiert sind. So war Kronholm Torwart und Spielmacher zugleich und die 2. Bundesliga hat fortan nicht über den großen HSV, sondern über Holstein Kiel gestaunt.

über den 3:1-Heimsieg im Dezember 2018
„ Der HSV hatte gute Einzelspieler, doch keine Gemeinschaft. ”

So war die 2. Bundesliga tatsächlich zu einem Aktionsfeld voller unbekannter Rätsel geraten. Kurz vor Weihnachten des Jahres 2018 hatten die Hamburger die große Chance, erfolgreich Revanche zu nehmen. Zwar mit neuem Trainer (Wolf für Titz), doch mit alten Defiziten: „Gute Einzelspieler mit großen Bundesliga-Erfahrungen hatte der HSV zweifellos an Bord. Doch er hatte keine intakte Mannschaft und keine Gemeinschaft. Bei unserem Sieg in Kiel hat uns der HSV immer noch unterschätzt. Da war so eine Sorglosigkeit erkennbar: Müssen wir halt nach Kiel und irgendwie kriegen das schon hin“, berichtet Kronholm mit dem Blick in den Rückspiegel und ergänzt: „Bei uns in Kiel sind Arbeit und Umgang immer geprägt von einem stabilen Miteinander und Füreinander. Auch heute noch.“

Kenneth Kronholm fliegt gegen Dresden

In 148 Pflichtspielen flog Kenneth Kronholm für die KSV durch den Strafraum. ©imago images/Robert Michael

Tim Walters Spielidee beinhaltete viele Risiken und verursachte so manches Gegentor, das dem Gegner zuweilen wie ein Geschenk überreicht wurde. „Da ist dann und wann auch eine große Portion Leichtsinn im Spiel gewesen. Doch wenn etwas schiefgegangen ist, hat unser Trainer öffentlich immer die Verantwortung übernommen und gesagt: Das ist mein Ding, denn das war mein Auftrag an die Spieler“, berichtet Kronholm weiter. Vorwürfe der Profis untereinander sind in Kiel tabu.

über seine ehemaligen Mitspieler bei der KSV
„ Mühling ist ein Phänomen und Lee ein Laufwunder. ”

Wie begeistert Kronholm Kieler Erinnerungen vorträgt, wird auch dann deutlich, wenn er über diese speziellen Spielertypen spricht, die Holstein Kiel ausmachen: „Alex Mühling ist Phantom und Phänomen. Ich kenne keinen zweiten Spieler, der so bedeutend ist für sein Team ist und dabei trotzdem öffentlich so gut wie gar nicht stattfindet“, sagt Kronholm.

Und dass Lee immer noch das Trikot mit der Nr.7 der „Störche“ trägt und nicht eines aus der Premier League, überrascht ihn: „Denn Lee ist ein Laufwunder und der beweglichste, unberechenbarste und torgefährlichste Mittelfeldspieler der 2. Bundesliga. Mit Hauke Wahl hat Holstein den besten Kapitän und den abgeklärtesten Abwehrstrategen weit und breit“, berichtet Kronholm weiter und so bringt er hier auf den Punkt, was er offenbar schon immer einmal sagen wollte.

Noch nicht fertig mit Fußball

Seine Freunde im Team der Störche waren in den vergangenen Wochen informiert darüber, wie schlecht es ihrem früheren Keeper ergangen ist und wie groß die Gefahr war, die Karriere beenden zu müssen.

„War schlimm alles, doch ich habe Glück gehabt. Mein Knie ist top. Es läuft viel besser als medizinisch vorhergesagt“, sagt Kronholm und wählt hier einen guten Vorsatz: Er beklagt den Unfall nicht als großes Pech, so viel Zeit verloren zu haben. Er lobt vielmehr die aktuellen Therapien, die er erfährt und er stellt lieber klar: „Ich habe überhaupt keinen Bock, schon aufzuhören.“ Torhüter, die wie Kronholm länger brauchten, um zu reifen und ins Blickfeld zu springen, dürfen auch mit 35 solche Wünsche äußern.

Denn bei Chicago Fire, also in der Heimat seines Vaters als Profi zu arbeiten, ist längst mehr als ein Herzenswunsch allein. „Ich bin immer überzeugt, von dem, was ich tue“, sagt Kronholm. Wer so spricht, möchte freilich auch im Reinen sein mit dem Zielen, die er sich setzt. Und nun hat er selbst das Gefühl, dass hier noch etwas zu leisten ist.

Als Kronholm im Mai 2019 bei Chicago Fire anheuerte, plagte ihn eine Blessur an der Schulter. Doch bei Fire wollten sie diesen Deutschen mit amerikanischen Wurzeln unbedingt. Eigentlich schon ein halbes Jahr zuvor zum Jahreswechsel. Doch Tim Walter hatte keine passenden Vertreter für sein so ungewöhnlich anspruchsvolles Torwartspiel gefunden. Und so musste Kronholm „nach mehreren Gesprächen unter Männern“, wie er sich erinnert, auch in der Rückrunde in Kiel bleiben.

Genau 20 Spiele an der Seite von Schweinsteiger

„Damit war das Thema für mich abgehakt“, gibt Kronholm zu und deshalb „total überrascht“, dass die Tür ins Tor von Chicago Fire für ihn immer noch offen war. So blieben ihm 2019 noch punktgenau 20 Spiele an der Seite des großen Bastian Schweinsteiger, den er als „großartigen Kollegen und tollen Leader“, wie er es beschreibt, erleben durfte. Die letzten 17 Spiele des Fußball-Jahres 2020 haben bei Chicago Fire nun ohne Kenny Kronholm stattgefunden und daran wird zeitnah auch nichts zu rütteln sein.

Das Montagabend-Match in Kiel live zu verfolgen zu können, ist ihm in Chicago nicht vergönnt. „Da soll es zwar ein paar Nischen im Netz geben, doch das ist mir nicht geheuer“, sagt Kronholm.

Für das Match prophezeit er dies: „Ich rechne mit einem schönen Arbeitssieg für meine Freunde. Auf ein 1:0 wird’s hinauslaufen“, bemerkt Kronholm voller Vertrauen in seine früheren Kollegen des Kieler Abwehrverbunds. Trotz Simon Terodde? „Trotz Terodde“, sagt Kronholm, „denn gegen den HSV sind die Jungs so hellwach wie Katzen bei der Mäusejagd.“

Wenn am Kiel am Montagabend angepfiffen wird, hat Kenny Kronholm gerade sein Reha-Programm bewältigt. Und dann wird er mit seiner Lebenspartnerin und seinem Vierbeiner am Ufer des Lake Michigan einen langen Spaziergang machen und an seine Freunde in Kiel denken.

 

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