Darmstadt 98 Teamcheck
Analyse & Prognose zur neuen Saison
Nach einjährigem Intermezzo in der Bundesliga ist der SV Darmstadt 98 zurück im Unterhaus. Nicht ganz unerwartet, haben die Lilien doch nach dem eher überraschenden Aufstieg im Sinne einer nachhaltigen Strategie bewusst auf hohe und damit auch risikobehaftete Investitionen in den Kader verzichtet. Der direkte Wiederabstieg wurde damit ein Stück weit einkalkuliert, aber gleichzeitig der Verein in seiner Gesamtheit weiter stabilisiert.
Die Politik der wirtschaftlichen Vernunft wird nun auch eine Klasse tiefer fortgesetzt, weshalb Darmstadt überwiegend nicht im engeren Kreis der Aufstiegskandidaten gesehen wird. Wir beschäftigen uns im Folgenden genauer mit den Lilien und haben am Ende auch eine Prognose parat.
Kommen & Gehen
Nach dem Abstieg aus der Bundesliga haben zahlreiche Akteure den Verein verlassen, darunter mit Bartol Franjic (VfL Wolfsburg, jetzt Shakthar Donezk), Julian Justvan (TSG Hoffenheim), Luca Pfeiffer (VfB Stuttgart), Gerrit Holtmann (VfL Bochum), Sebastian Polter (FC Schalke 04) und Tim Skarke (1. FC Union Berlin) sechs von sieben Leihspielern. Aus dieser Kategorie blieb nur der vom VfB Stuttgart fest verpflichtete Innenverteidiger Matej Maglica am Böllenfalltor.
Thomas Isherwood, Jannik Müller, Fabian Schnellhardt und Aaron Seydel verließen den Verein mit Vertragsablauf Ende Juni, sind bis dato aber noch ohne neuen Arbeitgeber. Anders als die zuletzt schon verliehenen John Peter Sesay (SK Bischofshofen) und Henry-Jon Crosthwaite (BFC Dynamo) sowie Braydon Manu (PEC Zwolle), Emir Karic (Sturm Graz), Christoph Klarer (Birmingham City) und Mathias Honsak (1. FC Heidenheim). Die drei letztgenannten sowie der mit acht Toren und zwei Vorlagen zum Top-Scorer avancierte Skarke hinterließen die größten Lücken.
Beim zuletzt mit mäßigem Erfolg an den 1. FC Kaiserslautern verliehenen Filip Stojilkovic steht unterdessen ebenso ein kurzfristiger Abschied im Raum wie bei Marvin Mehlem, dessen Abgang für das Mittelfeld ein schmerzhafter Verlust wäre.
Neben dem weiterverpflichteten Maglica holten die Lilien mit Aleksandar Vukotic (SV Wehen Wiesbaden) einen weiteren Innenverteidiger hinzu. Torwart Karol Niemczycki (Fortuna Düsseldorf) ist mit dem Anspruch, Marcel Schuhen den Status als Nummer eins abzujagen, nach Darmstadt gekommen, während Sergio López (FC Basel) eine Option für die rechte Abwehrseite darstellt.
Paul Will (Dynamo Dresden), Kai Klefisch (SC Paderborn) und Merveille Papela (1. FSV Mainz 05) sind allesamt Kandidaten für das defensive bzw. zentrale Mittelfeld. Der offensiv vielseitig einsetzbare Luca Marseiler (Viktoria Köln) und Mittelstürmer Fyn Lakenmacher (TSV 1860 München) hoffen, den Sprung aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga problemlos bewältigen zu können.
So lief die Vorbereitung
Bei der SpVgg Hainstadt (16:0), beim SV Beerfelden (24:0) und beim SV Münster (8:1) hat Darmstadt 98 die Testspielreihe mit drei deutlichen Erfolgen gegen unterklassige Mannschaften begonnen, dann allerdings schon gegen den FSV Frankfurt (0:1) einen ersten Dämpfer hinnehmen müssen. Gegen den luxemburgischen Erstligisten FC Swift Hesperingen (5:1) zeigte die Mannschaft von Trainer Torsten Lieberknecht zwar eine gute Reaktion, kassierte dann aber gegen den 1. FC Saarbrücken (1:3) die nächste Niederlage.
Die Generalprobe am Samstag gegen Coventry City wurde dafür wieder erfolgreich gestaltet. Gegen den englischen Zweitligisten setzten sich die Lilien mit 2:0 durch.
Stärken & Schwächen
Nur 30 erzielte und 86 kassierte Tore unterfütterten Darmstadts nicht vorhandene Bundesliga-Tauglichkeit in der vergangenen Saison mit Zahlen. Nun allerdings sind die Lilien zurück in der Zweitklassigkeit und dort sicherlich mit den meisten Konkurrenten zumindest auf Augenhöhe. Aber auch nur dann, wenn noch vorhandene Baustellen wie auf der linken Außenbahn geschlossen werden, sich bei einem Abgang von Marvin Mehlem adäquater Ersatz findet und die weiteren Neuzugänge zu großen Teilen einschlagen. Insgesamt hat der Kader der Lilien sicherlich nicht zu viel an individueller Qualität, wobei die Hoffnung auf die Weiterentwicklung einiger junger Akteure zu Leistungsträgen sicherlich ihre Berechtigung hat.
Alles andere als optimal ist es, dass mögliche Eckpfeiler wie Fabian Holland, Matthias Bader oder Fabian Nürnberger die Vorbereitung ganz oder teilweise verpasst haben, zudem gerade Kapitän Holland wohl auch noch lange nicht auf den Platz zurückkehren kann. Eine neue Hierarchie muss sich deshalb erst noch bilden, zumal weitere Routiniers wie Klaus Gjasula oder Tobias Kempe nicht mehr durchgehend auf dem Feld stehen werden.
Verlassen kann man sich in Darmstadt unterdessen auf das Publikum, das gerade am heimischen Böllenfalltor zum zwölften Mann werden kann – dafür aber auch ab und an einen Impuls von der Mannschaft benötigt.
Der Trainer
Nach zehn Jahren bei Eintracht Braunschweig (2008 – 2018) und einer kürzeren Station beim MSV Duisburg (2018 – 2020) schickt sich Torsten Lieberknecht an, die zweite Langzeitgeschichte seiner Trainerkarriere zu schreiben. Bereits seit Juli 2021 steht der 50-Jährige bei den Lilien in der Verantwortung und hat in diesem Zeitraum einiges erlebt. Auf Platz vier in seinem ersten Jahr folgten der Aufstieg in die Bundesliga und zuletzt der direkte Wiederabstieg, der allerdings kaum an Lieberknechts Standing am Böllenfalltor gekratzt hat.
Mit seiner verbindlichen Art und der Fähigkeit, den gesamten Verein und das Publikum mitzunehmen sind Lieberknecht noch einige Jahre in Darmstadt zuzutrauen – sofern nicht ein totaler Absturz wie in Braunschweig eine Trennung alternativlos macht. Für ein solches Szenario gibt es aktuell aber keine Anzeichen.
Der potentielle Shooting-Star
Im Sommer 2022 überwies Darmstadt 98 stolze 1,2 Millionen Euro Ablöse an IFK Göteborg, um sich die Dienste des damals erst 18 Jahre alten Oscar Vilhelmsson zu sichern, woran sofort zu erkennen war, dass die wahrlich nicht für waghalsige Investitionen bekannten Südhessen im schwedischen Angreifer enormes Potential sehen. Vorwiegend verletzungsbedingt verlief Vilhelmssons erste Saison mit nur 14 überwiegend kurzen Einsätzen, aber immerhin zwei Toren und einer Vorlage nicht optimal.
In der vergangenen. Bundesliga-Saison, insbesondere in der Rückrunde, spielte sich der mit 20 Jahren noch immer sehr junge Angreifer dann aber vermehrt in den Vordergrund, verbuchte bei 26 Einsätzen vier Tore und einen Assist. Zurück in Liga zwei ist Vilhelmsson, der in sechs U21-Länderspielen für Schweden sechs Mal getroffen hat, nun der große Hoffnungsträger in der Darmstädter Offensive.
Die mögliche Startelf
Schuhen – Riedel, Gjasula, Vukotic – Bader, Klefisch, Will, Lopez – Marseiler – Vilhelmsson, Hornby
Fazit & Prognose
In Darmstadt spricht niemand vom direkten Wiederaufstieg als Saisonziel – und damit sind die Lilien auch gut beraten. Zwar verfügt die Lieberknecht-Elf über das Potential, eine stabile und sorgenfreie Saison zu spielen, doch zu mehr als einem Platz im Tabellenmittelfeld dürfte es nicht reichen. Erfüllen die Neuzugänge die Erwartungen nicht oder nur teilweise und finden sich auf dünn besetzten Positionen keine optimalen Verstärkungen mehr, könnte es auch nur Rang 11 bis 13 werden.
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