FC St. Pauli: Interview mit Benedikt Pliquett

Autor: Christian Slotta Veröffentlicht: Montag, 16.11.2015 | 09:11

„FC St. Pauli mit super Ausgangslage“

Benedikt Pliquett ist bei St. Pauli Kult. Der extrovertierte Keeper spielte von 2004 bis 2013 am Millerntor und gehörte zur letzten Aufstiegsmannschaft von 2010. Im Interview mit liga-zwei.de spricht der 30-jährige über sein neues Leben auf Mallorca, Paulis Aufstiegschancen und warum das Team von damals nicht mit dem heutigen vergleichbar ist.

Benedikt Pliquett jubelt nach Derbysieg gegen HSV

Immer St. Paulianer. Ex-Keeper Benedikt Pliquett ist nach wie vor großer Fan. ©Imago

Liga-zwei.de: Benedikt Pliquett, Sie spielen seit Sommer für den spanischen Drittligisten Atletico Baleares. Wie kann man sich das Fußballer-Leben auf Mallorca vorstellen? Party, Strand und zwischendurch nen bisschen kicken?

Benedikt Pliquett: „Ja das habe ich schon oft gehört, aber es ist keines Wegs so. Erstmal und das ist wirklich ein Traum, hat Mallorca viiiiiel mehr zu bieten als dies bekannten paar hundert Meter Strand am Playa de Palma und des weiteren ist es hier ja keine Gurkenliga. Wir arbeiten unter sehr professionellen Bedingungen, mit teils einfachen Mitteln und eigentlich fehlt einem hier nichts.

Eine Trainingswoche ist daher genauso wie bei jedem anderem Proficlub. ‎Es ist natürlich schon toll nach’m Training einfach mal an den Strand zu fahren oder zu Hause am Pool zu liegen. Dennoch muss ich sagen, dass der sportliche Erfolg ganz klar vor allem andrem kommt und sollte es mal nicht laufen, hilft einem da auch kein Strand oder die Sonne.“

Liga-zwei.de: Ihre Ex-Vereine Pauli und Sturm Graz verfügen über zahlreiche Fans. Wie ist es jetzt vor ‚nur‘ 1.500 Zuschauern zu spielen?

Pliquett: „Ich kannte es ja schon durch die Spiele in Österreich, die teils auch nur vor 800 Zuschauern stattfanden, von daher ist die Umgewöhnung jetzt nicht so groß und am Ende bin ich ehrgeizig genug, da ist es mir egal wie viele Leute draußen rumstehen.“

Liga-zwei.de: Von Ihren beiden vorherigen Stationen kursieren im Internet lustige Videos. Die legendäre Petric-Torjubel-Imitation nach dem Derby-Sieg & wie Sie als Graz-Keeper den Pfosten ableckten. Wie kam es zu den beiden Szenen?

Pliquett: „Das spiegelt einfach nur mein Wesen „el loco“ (spanisch, „der Narr“) wider, habe mir bei beiden nichts gedacht und es ist einfach so passiert. Gewisse Situationen kreieren gewisse Handlungen.“

„Profi kein Fan? So ein Bullshit“

Liga-zwei.de: Neben Kevin Großkreutz sind Sie einer von wenigen Fußballprofis, die auch Fan ihres Vereins waren/sind. Was entgegnen Sie Kritikern, die meinen ein Profi darf kein Fan sein?

Pliquett: „Wer sagt sowas??? Vollkommender Bullshit! Gibt doch nichts besseres als jemanden,  der sich zu 100% mit seinem Verein und den Ideologien identifiziert! Sowas kitzelt immer nochmal ein paar Prozente mehr aus einem raus. Für mich war es immer großartig zu wissen, hinter deinem Tor stehen gefühlt 300 Leute, die du alle mit Namen kennst, da gibt es nichts großartigeres. Hinzu kommt, dass man einfach auch das Leben der Fans nachvollziehen kann und da dann eine sehr große Dankbarkeit in sich trägt.“

Liga-zwei.de: Ihr Ex-Verein St. Pauli spielt derzeit eine starke Saison. Beim letzten Bundesliga-Aufstieg 2010 waren Sie noch selbst dabei. Kann es Pauli 2016 erneut packen?-

Pliquett: „Die Saison ist noch lang, aber für den Moment hat man eine super Ausgangslage‎. Es ist jetzt halt wichtig daran fest zu halten, den Glauben an das große Ziel zu festigen und diese Chance nicht leichtfertig vergeben, nach dem allgemeinen Motto “ Wir müssen nicht aufsteigen“. Es ist eine riesen Chance für den Gesamtverein und jeden einzelnen, Spieler so wie Mitarbeiter. Die Strukturen hat der Verein mitlterweile alle mal und daher hoffe ich es. Aus Erfahrung sollte man im Winter nochmal an Spielern nachlegen, der Fehler wurde bei uns damals gemacht, aber da denke ich ist man zur Zeit sportlich gut beraten.“ 

„Als eingeschworener Haufen knietief in der Gülle“

Liga-zwei.de: Sehen Sie zwischen der Mannschaft von damals und heute Parallelen? Wie verfolgen Sie das Geschehen, zu wem besteht noch Kontakt?

Pliquett: „Man kann und sollte die Zeit von damals und heute nicht vergleichen, das ist mir wichtig! Wir waren damals ein eingeschworener Haufen, der gefühlt knietief in der Gülle stand und sich aus der 3. Liga (ähnlich wie hier bei Atlético Baléares, daher gefällt es mir auch so) in die Bundesliga hochgearbeitet und gespielt hat. Sehr viele von uns haben auf Sankt Pauli gelebt oder es war ihr Lebensmittelpunkt, so gab es bei jedem eine große Verbundenheit zu Fans, Stadtteil und Verein. Sowas kann man nicht replizieren. ‎

Der Truppe von heute hat sicher die Erfahrung des Klassenkampfes im letzten Jahr sehr gut getan und jetzt hat man sich spielerisch weiterentwickelt. Es läuft super, das freut mich, da das letzte Jahr mit dem Spiel in Darmstadt für mich und alle Fans echt die Hölle war. Kontakt habe ich immer noch zu mehreren Spielern.“

Liga-zwei.de: Was passiert, wenn nächstes Jahr sowohl Pauli als auch Atletico Baleares aufsteigen?

Pliquett: „Ich werde mich in einem einwöchigem Delirium befinden, würde wahrscheinlich dann doch die oben genannten 100 Meter Strand heimfinden und mit der Mannschaft vom FC St. Pauli zusammen feiern :-).“

Liga-zwei.de: Wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.